Buch: Was KFZ-Kennzeichen über Fahrer aussagen

Ein Buch sammelt scherzhafte Bezeichnungen für Autokennzeichen. Regionale Rivalität auf der Straße ist laut Experten durchaus ein reales Phänomen.

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Düsseldorf. „Miese Gauner“ für Fahrer aus Mönchengladbach, „Dellensucher“ aus Düsseldorf oder Wuppertaler „Wüteriche“. Die Möglichkeiten für Neuinterpretationen verschiedener Kennzeichenkürzel sind zahlreich. Dass sich in ihnen das Misstrauen gegenüber Autofahrern aus anderen Städten widerspiegelt, überrascht einen Verkehrspsychologen wenig.

„Es geht immer um Stereotype: Der Städter hält den Landbewohner für einen schlechten Fahrer und umgekehrt“, erklärt Professor Dr. Wolfgang Fastenmeier. Er ist Präsident der Deutschen Gesellschaft für Verkehrspsychologie (DGVP) und lehrt an der Psychologischen Hochschule Berlin. Weder für die eine noch für die andere These gebe es Belege. Empirisch nachweisbar sei hingegen das erhöhte Unfallrisiko ortsfremder Personen, ausgelöst durch Probleme bei der Orientierung. Expertin rät: Nur ausgeschlafen und mit ausreichend Zeit fahren

Hinzu kommen lokale Rivalitäten, wie Fastenmeier berichtet: „Ohne jegliche Grundlage wird gegeneinander Stimmung gemacht.“ Ein Beispiel hierfür ist die wenig freundliche Bezeichnung „Kamellenlutscher“ für Autofahrer aus Köln (Kfz-Kennzeichen: K).

Begriffe wie diese hat der Autor Werner Breem in seinem Buch „Zeig mir dein Kennzeichen und ich sag dir, wie scheiße du fährst“ gesammelt. Für mehr als 500 Abkürzungen hat er Entsprechungen gefunden. Neben regional bekannten Klassikern finden sich auch Eigenkreationen Breems wieder, die ihm „auf zahlreichen Fahrten zwischen Nordfriesland und dem Oberallgäu in den Sinn gekommen sind“, wie er im Vorwort seines Buches schreibt.

Bei der Zusammenstellung sei es ihm um Vollständigkeit gegangen, weshalb auch beleidigende Begriffe aufgeführt werden. Nicht nur die „maximalen Gendefekte“ aus Mönchengladbach (MG) und die „motorisierten Esel“ aus dem Kreis Mettmann (ME) müssen ein dickes Fell haben.

Im Straßenverkehr kommt es immer wieder zu Aussagen unter der Gürtellinie. Das Auto wirke laut Fastenmeier „wie ein Käfig“ — ein Raum für egozentrisches Verhalten. Verstärkt werde dieser Effekt durch das Fehlen unmittelbarer Sanktionen für das Fluchen oder Gestikulieren am Steuer.

Ähnliche Phänomene kennt die Düsseldorfer Psychologin Stephania Lanzillotta-Reich-stein aus anonymen Bereichen des Internets oder von vermummten Fußballfans. „Autofahren ist eine abgeschirmte Handlung und daher anonym. Deshalb wirkt der Straßenverkehr desozialisierend.“

Das Ziel der meisten Fahrer ist es, möglichst schnell von A nach B zu kommen. Hindernisse oder Störungen auf diesem Weg sind eine Quelle für Frustration und Aggression. Offensichtlich besonders, wenn man Fahrer aus Neuss (NE) vor sich hat, die es „niemals eilig“ haben. Auch „rollende Schnecken“ aus Remscheid (RS) oder ein „Supergau“ aus Solingen (SG) können die Zeitplanung durcheinander bringen.

Deshalb rät Stephania Lanzillotta-Reichstein, Fahrten „ausgeschlafen und mit einem entzerrten Termingerüst“ anzutreten: „Wer Pufferzeit einplant, bleibt auch bei Verzögerungen gelassen.“ Der Straßenverkehr sei nicht als Kräftemessen, sondern als „partnerschaftliches System“ zu verstehen. Professor Wolfgang Fastenmeier kennt noch eine weitere Lösung, um im Straßenverkehr ruhig zu bleiben: „Umsicht, Vorsicht und Rücksicht. Man muss Verständnis für die Perspektive der anderen Verkehrsteilnehmer haben.“

Wer sich von Breems Aufzählung auf den Schlips getreten fühlt, kann sich trösten: Selbst das Sonderkennzeichen der Landesregierung Nordrhein-Westfalens hat es in die Liste geschafft. Aus der Abkürzung NRW wird „Notfalls rempeln wir.“ Ansonsten gilt Breems Ratschlag: „Mit Humor kommt man ans Ziel.“