Bundespresseball am Brandenburger Tor
Berlin (dpa) - Nur 70 Schritte sind es vom Ort der Trauer bis zur Medien- und Politparty. Vor der französischen Botschaft am Brandenburger Tor in Berlin breitet sich auch zwei Wochen nach den Terror-Anschlägen in Paris ein Meer von Blumen und Kerzen aus.
Direkt gegenüber im Hotel Adlon feiern rund 2300 Gäste den 64. Bundespresseball - diesmal unter noch stärkeren Sicherheitsvorkehrungen als sonst.
Auf dem roten Teppich vor dem Adlon steht Ahmad Mohammed, Berlins bekanntester Leibwächter. Sonst beschützt der muskulöse frühere Kampfsportler und jetzige Inhaber einer Sicherheitsfirma Hollywoodstars und Sportler.
Nun begrüßt er Gäste und blickt in Taschen. „Bitte öffnen Sie ihren Mantel, bitte öffnen Sie ihre Tasche“, sagt er lächelnd. „Ich danke Ihnen vielmals, vielen Dank. Danke Sir.“ Die Bezeichnung „Berlins höflichster Leibwächter“ wäre an diesem Abend nicht übertrieben.
Prominente und weniger prominente Gäste aus Medien, Politik und Wirtschaft lassen sich ansonsten vom Thema Terrorgefahr wenig beeindrucken. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte kurzfristig ab, weil er an der Trauerfeier in Paris teilnahm. Der Tenor der anderen Gäste lautet aber: Jetzt erst recht.
Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne), im blau-schwarzen Kleid auf dem roten Teppich, sagt: „Ich schenke diesen Verbrechern doch nicht meine Lebensfreude und Lebenslust.“ Die Schauspielerin Marie Bäumer (schwarzer Hosenanzug mit Schlitz-Dekolleté) meint: „Ich würde es mal ein bisschen mit den Israelis halten: Jetzt erst recht feiern.“
Auch Bundespräsident Joachim Gauck, der mit seiner Lebensgefährtin Daniela Schadt erscheint und wie üblich den Ball mit einem Walzer eröffnet, spricht die Kerzen vor der Botschaft an und die Gewalt: „Wir wollen trotz dieser Dinge auch feiern. Wir wollen unser normales Leben leben.“
Zu der politischen Prominenz gehören auch Vizekanzler und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), der durch den Hintereingang kommt, Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt und der FDP-Vorsitzende Christian Lindner. Auch die AfD-Chefin Frauke Petry kommt - und sorgt damit für kontroversen Gesprächsstoff unter den Medienvertretern.
Familienministerin Manuela Schwesig (SPD), mit Babybauch unter rotem Kleid, ist derzeit noch auf der Suche nach einem Mädchennamen: „Das diskutieren wir noch in der Familie.“
Das Adlon, erstmals Gastgeber des Balls der Bundespressekonferenz und ihrer 800 Hauptstadtjournalisten, kommt gut an. Nach der ungemütlichen Stimmung im früheren Flughafen Berlin-Tempelhof im vergangenen Jahr schätzen Journalisten, Manager, Politiker und Lobbyisten die beiden verschachtelten Adlon-Etagen mit diversen Bars, einem großen Ballsaal und einem Dinnersaal.
An 30 Essensstationen gibt es Fleisch, Fisch, Sushi, Austern oder Desserts. Überall bieten sich Tische und Stühle in Wintergärten oder Eckzimmern für Gespräche an. Gauck plaudert gegen Mitternacht mit dem Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes, Michael Vesper, im asiatischen Restaurant Sra Bua. Der frühere Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) tanzt - unbeobachtet von den Leibwächtern früherer Jahre.
Parallel läuft der Hotelbetrieb weiter. Erstaunte Gäste in Daunenjacken und mit vollen Rucksäcken checken am frühen Abend ein. Zwei ältere Herren in Cordhosen sitzen lange in der Lobby und betrachten Menschen in Smokings und Abendkleidern, die sich an der Bar drängen.
Die befürchteten Staus auf Treppen und Gängen bleiben weitgehend aus. Erst am frühen Morgen verlassen die letzten Feiernden das Hotel, das seine Bewährungsprobe nach dem Eindruck der meisten Ballgäste erfolgreich gemeistert hat.