Conchita Wurst träumt von Grammy und Eigentumswohnung

Wien (dpa) - Ein enges Kleid und ein perfekt getrimmter Bart sind Markenzeichen von Conchita Wurst. „Da wird ein wenig mit schwarzem Lidschatten nachgeholfen“, gibt der 25 Jahre alte Travestie-Künstler freimütig zu.

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Conchita Wurst ist die wohl auffälligste Erscheinung beim diesjährigen Eurovision Song Contest (ESC) in Kopenhagen - zumindest im Halbfinale am 8. Mai. Den Einzug ins Finale am 10. Mai muss Tom Neuwirth, wie Conchita Wurst im Leben ohne Frauenkleider heißt, mit der Ballade „Rise Like A Phoenix“ erst noch schaffen.

Die Zuversicht im Lager des „Drag-Künstlers“ aus Österreich ist aber grenzenlos. „Es wird nicht floppen, es gibt keinen Plan B“, ist sein Manager René Berto überzeugt. Der Optimismus ist gespeist aus mehr als 100 Medienterminen und -auftritten in der Zeit seit der Nominierung. „Die Neugier ist groß“, sagt Wurst. Auch der Journalist und ESC-Kenner Jan Feddersen ist angetan. „Angesichts der ästhetischen Trümmerhaufen, die Österreich in den 1980er und frühen 1990er Jahren geschickt hat, ist so ein Eleganz-Brocken zu begrüßen.“ Das Lied sei toll. Es erinnere an die Bond-Filme der 1960er Jahre.

Schwulenfeindliche Angriffe in den sozialen Netzwerken bringen das ESC-Team aus Wien nicht aus der Ruhe. „Ich mache Österreich nicht lächerlich“, sagt der bärtige Frauendarsteller selbstbewusst. Demaskierend in ihrer Intoleranz seien vielmehr die Vorwürfe auf der Anti-Conchita-Facebook-Seite gewesen. Speziell in Weißrussland hatte die Nominierung von Wurst viele Spötter zu gehässigen Kommentaren veranlasst. „Aber auch in Österreich wünschen viele, dass ich nicht fliege.“ Die Drag-Queen polarisiert und will doch gerade für Toleranz werben.

So ist ihr Name Programm. „Conchita“ stehe für „heiße Latina“, „Wurst“ sei ein anderes Wort für „egal“. „Es ist mir Wurst“ - egal, ob jemand schwul ist oder gar Frauenkleider trägt. Gelassenheit gegenüber Veranlagungen und Lebensentwürfen ist gerade in der Provinz nicht selbstverständlich. Tom Neuwirth ist im 3000-Seelen-Ort Bad Mitterndorf in der Steiermark groß geworden und hat schon in der Schule manche Hänselei ertragen müssen. „Seitdem ich zwölf bin, ahnte ich, dass ich wohl auf Jungs stehe.“

Mit 14 Jahren ging er ins Internat nach Graz und besuchte die Modeschule. Später folgten ein zweiter Platz bei der Castingshow „Starmania“, eine erfolglose Boyband, Gelegenheitsarbeiten, das Nachholen des Abiturs und der Abschluss der Ausbildung zum Modedesigner.

2011 gab er seiner Kunstfigur Conchita Wurst mit dem Bart den letzten Schliff und macht erste Schlagzeilen bei der ORF-Talentshow „Die große Chance“. 2013 entschied der Sender in Eigenregie ohne Publikums-Show, Conchita solle die Alpenrepublik in Kopenhagen als musikalischer Botschafter vertreten. „Hinter ihr steht das Österreich, das nicht bräsig vor sich hinmeckert, sondern auch Lust am Anderen schlechthin hat“, schreibt Feddersen in seinem Blog.

Conchita Wurst genießt das europaweite Interesse, liebt das Rampenlicht und bekennt: „Wenn ich Fotos mache, dann Selfies.“ Aber eigentlich finde sie sich ein wenig langweilig, sagt Österreichs ESC-Hoffnung und fasst sich in die Echthaarperücke im Farbton Rauchige Kastanie. Zumindest sind ihre Träume ziemlich konventionell: eine Eigentumswohnung in Wien, obendrein soll irgendwann ein Grammy - der Oscar unter den Musikpreisen - das eigene Heim zieren. Der ESC soll nur ein Schritt auf dem Weg zur Weltkarriere sein.

Wie lange dauert die Verwandlung vom Mann zur Frau? „So lange, wie man mich lässt, mindestens eine Stunde.“ Dann zieren ein perfekter Lidstrich und angeklebte Wimpern die rehbraunen Augen. Unisex sind ihre Tattoos: Auf dem linken Unterarm prangen die ornamentalen Initialen von Vater, Mutter und Bruder, auf dem rechten Unterarm ist Arielle, die Meerjungfrau, eintätowiert. „Ich liebe Disney-Filme.“ Ihre Ballade, von einem, der sich nicht unterkriegen lässt, wird Conchita Wurst in einem langen Kleid singen. „Es ist selbst entworfen und es glitzert wie die Sonne.“