Die Verführerin Adele Spitzeder
München (dpa) - Es ist kein Zufall, dass Bankenkritiker und Spötter ihr auf dem Höhepunkt der Finanzkrise ein Denkmal setzen wollten: Adele Spitzeder gilt als Mutter des Anlagebetruges und machte schon Ende des 19. Jahrhunderts vor, wie es geht.
Mit unhaltbaren Versprechungen und unhaltbaren Zinsen zog sie den Leuten um das Jahr 1872 herum in München das Geld aus der Tasche. Dann brach ihre Dachauer Bank zusammen - unzählige geprellte Anleger standen vor dem Ruin. Adele Spitzeder war so etwas wie ein bayerischer Bernard Madoff.
Der Bayerische Rundfunk hat sich dieser Ikone der betrügerischen Bankberatung nun in einem Film gewidmet, der an diesem Mittwoch (20.15 Uhr) in der ARD ausgestrahlt wird. Der treffende Titel: „Die Verführerin Adele Spitzeder“. In der Hauptrolle ist Birgit Minichmayr zu sehen, die seit vergangenem Jahr zum neuen Martin Kusej-Ensemble des Residenztheaters gehört und vor kurzem selbst nach München gezogen ist.
Der Film beginnt, als die Spitzeder so gut wie am Ende ist. Als verhinderte Schauspielerin hat sie überall Schulden, der Lebensstandard, den sie - und auch ihre gerne betrunkene Mutter (Sunnyi Melles) - angemessen finden, kann sie längst nicht mehr halten. Doch dann hat sie die rettende Idee: In einer Zeit, in der Frauen noch nicht einmal wählen dürfen, stellt sie eine Männerdomäne völlig auf den Kopf, zieht ihre eigene Bank auf und geht skandalöserweise auch noch mit Frauen ins Bett. Nur die Bewunderung eines jungen Dichters, die die Möchtegern-Künstlerin mehr als alles andere erstrebt, kann sie nicht kaufen.
Dank ihres Charmes und ihrer Verhandlungskünste wird ihr das Geld bald kistenweise ins Haus geliefert, schnell quillt es aus allen Schubladen und Schränken. Sie verspricht „das meiste Geld für ihr Geld“ und deckt die Zinszahlungen durch immer weitere Einlagen neuer Kunden zu denen - so zeigt es zumindest der Film - selbst „Märchenkönig“ Ludwig II. gehört haben soll.
Wer etwas über sie und ihr Geschäft sagen will, das ihr nicht passt, mit dem geht sie ins Bett. Oder sie kauft ihn oder gleich eine ganze Zeitung. „Für mich ist das eine fast moderne PR-Maschinerie, die sie da aufgebaut hat“, sagt Hauptdarstellerin Minichmayr. Da spendet die Spitzeder auch schon mal einen Kirchturm, damit der Pfarrer entsprechend wohlwollend von der Kanzel predigt.
Ihrem direkten Umfeld gegenüber und vor allem den Ärmsten der Armen zeigt sie sich überaus großzügig. „Es füttert das Ego ungemein, Leute abhängig zu machen“, analysiert Minichmayr und: „Sie ist irgendwo zwischen Maddof und Robin Hood, wobei sie für mich ein total vampiristischer Robin Hood ist.“ Nachdem ihr Schneeball-System zusammengebrochen ist, wird sie als betrügerische Verbrecherin entlarvt und wandert ins Gefängnis.
Der Film von Regisseur Xaver Schwarzenberger zeigt das leider nicht so dezidiert. Er malt ein durchaus spannendes Bild von der Spitzeder als emanzipierter, selbstbewusster Karrierefrau mit - nur am Rande erwähntem - skandalösem Liebesleben und Herz für die Schwachen der Gesellschaft. Dass sich betrogene Kunden ihretwegen das Leben nahmen, das ist nur in einer Szene in den Augen der Betrogenen zu sehen, die feststellen müssen, dass sie ihr Geld nicht wiedersehen werden.
„Ich hätte mir, glaube ich, ein bisschen mehr gewünscht, dass die Dimension ihres Verbrechens am Schluss deutlicher rauskommt. Das war eine unglaubliche Dimension, die der Bankrott ihrer Bank verursacht hat“, sagt dann auch Minichmayr, die einmal mehr eine so herausragende Leistung hinlegt, dass selbst Sunnyi Melles und auch Marianne Sägebrecht (im Film Spitzeders Haushälterin) nicht viel mehr sind als Statisten. „Dass Bauern ihre Höfe verkauft haben, ihr das Geld gegeben haben und gedacht haben, sie können von den Zinsen leben. Diese Verführung, die sie da geschafft hat“ - davon zeigt der ansonsten wirklich sehenswerte Film leider längst nicht das, was er hätte zeigen können.