„Dinner for One“ feiert Jubiläum
Hamburg (dpa) - Das „Dinner for One“ hat die Zutaten, die ein TV-Flop braucht: ein Stück mit unbekannten britischen Schauspielern, in Schwarz-Weiß und unübersetzt im deutschen Fernsehen.
„Etwas, das viele Zuschauer nicht gleich verstehen können und das so eine alte Anmutung hat“ - kein Programmmacher würde sich noch an so etwas heranwagen, sagt der freie Autor und Fernsehjournalist Christian Breidert. „Man versucht, verlässliche Formate zu entwickeln, die hundertprozentig funktionieren. Und es gibt klare Regeln, was sein muss, um Erfolg zu haben“, betont er. „Man kann wirklich sagen, dass das "Dinner for One" ein Treppenwitz der Fernsehgeschichte ist, weil es nur durch Zufälle überhaupt so populär und langlebig geworden ist.“ Silvester läuft der „Treppenwitz“ wieder rauf und runter im TV.
Diesmal feiert das „Dinner for One oder Der 90. Geburtstag“ - so der Lang-Titel - seinen 50.: 1963 zeichnete der Norddeutsche Rundfunk (NDR) das Bühnenstück um Miss Sophies 90. Geburtstag und ihren Butler James in Hamburg auf. Zwar geschah dies schon Monate vor Silvester und noch nicht mit dem Sendeplatz am letzten Tag eines jeden Jahres im Blick, aber gestolpert und gelallt wird mit James und seiner alten Lady seit langem nur noch an Silvester. „The same procedure as last year, Miss Sophie?“ - „The same procedure as every year, James“, heißt es seit dem 31. Dezember 1972 stets zum Jahreswechsel. Am Dienstag zeigen es etwa alle ARD-Dritten - oft mehrfach. Das NDR Fernsehen gratuliert mit einer Jubiläumsshow (29. Dezember/21.45 Uhr), zu deren Machern Breidert gehört.
Letzten Endes sei der Kult dem damaligen NDR-Unterhaltungschef Henri Regnier, der das Stück limitiert auf den letzten Tag des Jahres gesetzt habe, zu verdanken, sagt Breidert. „Das ganze Jahr über ist es ins Archiv verbannt und darf nur an Silvester raus - und zwar so konsequent, dass wir alle denken, ein Silvester ohne "Dinner for One" ist nicht vorstellbar.“ Dabei hat der 18-Minüter um Miss Sophie, die an ihrem 90. Ehrentag allein an der langen Tafel sitzt, weil ihre Freunde gestorben sind, nichts mit Silvester zu tun. Auch nicht der „Happy New Year“-Toast von James, der für die Jubilarin die Freunde mimt und zunehmend betrunkener über einen Tigerfell-Kopf stolpert - der Spruch ist Miss Sophies neuem Lebensjahr gewidmet.
1961 war das Komikerpaar Freddie Frinton und May Warden, das schon lange vorher mit seinem ungewöhnlichen Geburtstagsdinner in Großbritannien auf der Bühne stand, erstmals damit im deutschen Fernsehen aufgetreten: in der Sendung „Bitte lassen Sie sich unterhalten“ mit Evelyn Künneke. Doch da es davon keine Aufzeichnung gibt, wurde dieser Auftritt schnell vergessen und Peter Frankenfeld später zum „Entdecker“: Am 8. März 1963 zeigte er den Sketch in der Show „Guten Abend, Peter Frankenfeld“. Deren Regisseur Heinz Dunkhase wirkte auch schon bei der wahren Geburtsstunde in der Künneke-Show mit, wie Breidert erklärt. Nachdem der Erfolg beim Publikum 1963 überwältigend war, produzierte der NDR unter Dunkhases Regie die Fernsehfassung, die bis 1972 nur als Pausenfüller diente.
1988 schaffte das „Dinner for One“ den Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde als die am häufigsten wiederholte Fernsehsendung. Für Deutsche sei es der Inbegriff des englischen Humors, meint Breidert. Aber nicht nur hier ist der TV-Klassiker für viele eine Ritual. „Silvester strahlen außerdem Fernsehsender in Schweden, Dänemark, Estland, Australien, Luxemburg, Belgien, Österreich und der Schweiz "Dinner for One" aus“, heißt es auf der NDR-Internetseite. Die Schweiz und einige andere Länder zeigten eine um einige Minuten kürzere Version, die das Schweizer Fernsehen ebenfalls 1963 drehte. Doch stets gehöre der original britische Tonfall dazu. „Sogar in der DDR gab es zu Silvester ein eigenproduziertes "Erinnerungsmahl" und 1988 erstmals die NDR Version mit Frinton.“
Frinton und Warden bekamen von dem Erfolg wenig mit: Er starb 1968, sie zehn Jahre später. Und im Heimatland der Komiker ist der Sketch weitgehend unbekannt. Autor Breidert, dessen jüngste Dokumentation über das Stück das NDR Fernsehen am 30. Dezember (22.00 Uhr) zeigt, hat unter anderem noch einmal Frintons vier Kinder sowie dessen Witwe besucht. So viele Male habe er sich den Sketch, den es auch in diversen Dialekten wie jetzt „op Kölsch“ gibt, angeschaut. „Doch je nachdem welchen Aspekt man aufgreift, ob das genaue Spiel von Miss Sophie oder das Stolpern von James - man kann die gleiche Szene immer noch mal neu sehen“, sagt er. „Das ist phänomenal.“