Grand-Prix: Alle lieben Lena
Die deutsche Sängerin gibt sich in Oslo gelassen. Johnny Logan schwärmt, und die Buchmacher sind aus dem Häuschen.
Oslo. "Puuh, puuh, ganz schön groß", sagt Lena Meyer-Landrut beklommen beim Anblick der riesigen Osloer Eurovisionsbühne, immer einsilbiger reagiert sie auf das endlose Bombardement mit Journalistenfragen. Dann schickt sie plötzlich entspannt Grüße an royale Prominenz, für die auch gerade ein wichtiger Countdown läuft: "Victoria und Daniel, ich wünsch euch gaaanz viel Glück", strahlt die 19-jährige Hannoveranerin in die Kamera eines schwedischen TV-Senders. Als der das Sätzchen für die Hochzeit von Kronprinzessin Victoria und ihrem Bräutigam am 19. Juni im Kasten hat, dreht sich Lena um und grinst: "Das war jetzt echt geil, oder?"
Die bekannteste Abiturientin der Republik hat in der norwegischen Hauptstadt ein volles Programm. Sie soll als "Vertreterin des wiedervereinigten Deutschland" auftreten und immer wieder "Satellite" schmettern, sie dreht täglich kleine Filme für Stefan Raabs ProSieben-Show "TV Total", und sie zittert bei all dem ihrem Auftritt am Samstag um kurz vor 23 Uhr entgegen.
Obwohl - nach außen zittert sie gar nicht mal: "Ich finde, das ist alles ein Spiel, kein Kampf. Es ist alles entspannt, es ist cool. Es hat nicht eine so große Wichtigkeit." Denn Lena bleibt auch im Gedränge und Getöse von Oslo hauptsächlich Lena - und das heißt sie selbst, und nicht "unsere Lena". Vereinnahmen lässt sie sich nämlich nicht. Es gibt Leute, die mögen das nicht.
Ein britischer Musikkritiker bemäkelte im "Spiegel", ihr viel gelobtes Englisch sei gar keines. Vielmehr habe sie ihre Aussprache aus mehreren Akzenten zusammengemischt und noch einen skandinavischen Zungenschlag obendrauf gesetzt.
Manche finden sie altklug und zickig, wenn sie bedächtig daherredet. Doch die meisten sind von der ganzen "Lenahaftigkeit" ("FAZ") bezaubert, schon lange gab es nicht mehr solch eine Eurovisions-Begeisterung in Deutschland. Und die ist auf Europa übergeschwappt. Der Ire Johnny Logan, zweifacher Gewinner des Wettbewerbs, schwärmt: "Sie hört sich großartig an, und sie ist süß." Die Buchmacher sind sowieso aus dem Häuschen: Bei allen Wettanbietern gilt Lena als Favoritin.
Möglicherweise hat die Sängerin die Souveränität bei großen Auftritten von ihrem Großvater geerbt. Andreas Meyer-Landrut leitete unter Richard von Weizsäcker von 1989 bis 2004 das Bundespräsidialamt. Zudem wurde der Diplomat fünf Mal in unterschiedlichen Funktionen zur deutschen Botschaft in Moskau entsandt. Im Zuge dessen bereitete er etwa 1981 den Besuch von Leonid Breschnew in Deutschland vor und auch den Gegenbesuch von Bundeskanzler Helmut Kohl 1993. Er sorgte auch dafür, dass die diplomatischen Verwicklungen nicht zu hitzig wurden, als der Cessna-Pilot Matthias Rust 1987 auf dem Roten Platz landete. Meyer-Landruts entspannter Umgang mit dem Protokoll lässt sich am Titel seines vergriffenen autobiografischen Buches "Mit Gott und langen Unterhosen" ablesen. Klingt ziemlich nach Lena.
Finale: ARD, Sa. 21.00 Uhr