Hobbygärtner beschließen Migrantenquote
Hamburg (dpa) - Die Kleingartenanlage am Kringelkrugweg im schleswig-holsteinischen Norderstedt liegt im Winterschlaf. Die Rollläden der dunklen Holzhäuser sind geschlossen, viele Hecken auch im Dezember akkurat geschnitten.
Doch die Idylle trügt.
Wohl selten hat ein Schrebergartenverein für so viel Unruhe und Schlagzeilen gesorgt. Ausgangspunkt ist eine Mitgliederversammlung bei der sich die Hobbygärtner für eine Migrantenquote ausgesprochen haben. Demnach sollen nur noch 12,6 Prozent - also höchstens neun der insgesamt 73 Parzellen - an Interessierte mit ausländischen Wurzeln vergeben werden.
Norderstedts Oberbürgermeister Hans-Joachim Grote (CDU) reagierte entsetzt und fordert eine erneute Abstimmung. „Wir erwarten eine formelle Distanzierung per Mitgliederbeschluss“, sagt der Sprecher der Stadt, Hauke Borchardt am Donnerstag. Sollte diese nicht erfolgen, könne es zu einer Kündigung des Pachtvertrags kommen. Ohnehin sei das Votum rechtlich anfechtbar: „Der Beschluss verstößt gegen das Antidiskriminierungsgesetz“, sagt Borchardt.
Der Vorsitzende des Kleingartenvereins, Gerd Kühl, will sich zu der Geschichte nicht mehr äußern. Die ganze Sache sei schlecht gelaufen, erklärt seine Frau am Telefon. Denn den Hobbygärtnern schlägt nicht nur Ärger und Empörung entgegen, sie bekommen auch ungewollte Unterstützung. Im Internet solidarisieren sich inzwischen rechtsgesinnte Organisationen wie die „Freien Nationalisten“ mit dem Verein. Auch der NDP-Landesverband in Sachsen-Anhalt berichtet auf seiner Seite von dem Vorfall. „Das ist das allerletzte, was wir wollten“, sagt Frau Kühl am Telefon. Welche Welle die Aktion lostreten würde, darüber habe man nicht nachgedacht.
Rückblick: Der Verein trifft sich Ende Oktober zum Grünkohlessen, es werden Stimmzettel verteilt. Nach Angaben der Stadt votieren fünf der 70 Teilnehmer für eine Quote von 27 Prozent, analog zur Migrantenquote im benachbarten Hamburg. 13 stimmen für eine Quote von 19,6 Prozent, das ist der Bundesdurchschnitt. Den höchsten Anteil mit 41 Stimmen gab es für die 12,6 Prozent, entsprechend der Migrantenquote in Schleswig-Holstein. Elf Mitglieder votieren gegen die Aktion. Damit nicht genug: Die Hobbygärtner legen bei ihrer Beschlusssitzung auch noch die Nationen ihrer Kleingartennachbarn fest. 25 Prozent Türken und Araber, 25 Prozent aus Osteuropa und die andere Hälfte für Vertreter anderer Nationen.
Zurück im Schrebergarten. An dem kalten Donnerstag ist niemand in der Anlage zu sehen. Doch dann schreitet ein älterer Herr aus dem grünen Eingangstor, einen Besen unter dem Arm. Er finde den Beschluss gut, „die wollen sich nicht integrieren“, sagt der Norderstedter, der seit zehn Jahren Vereinsmitglied ist. Schließlich gehe es um Aktivitäten und Engagement. Stattdessen würden viele der ausländischen Mitbürger ihre Gärten nur am Wochenende als Freizeitplatz nutzen, erklärt er. „Die Kinder schreien und die Eltern schreien noch lauter. Das hat mit Ruhe und Erholung, die wir hier suchen, nichts zu tun.“
Einige hundert Meter entfernt liegt der „Metaxa Grill“, eine Imbiss-Station. Er habe von der Aktion noch gar nichts mitbekommen, sagt der griechische Betreiber. „Wie kommt man überhaupt auf solch eine Idee?“, fragt der 31-Jährige mit einem Kopfschütteln. „Ich lebe seit 16 Jahren hier und hatte nie Probleme.“ Er habe seine Ausbildung hier gemacht, er lebe hier. „Meine Zukunft ist Deutschland.“