Tödlicher Rausch
Hamburg (dpa) - Schauspielerin Lisa Maria Potthoff stand auf dem Friedhof des Ortes Sachsenkam bei München und stellte fest, wie viele junge Menschen hier in den letzten Jahren begraben worden waren. Die Komparsen aus der 1300-Seelen-Gemeinde lieferten ihr die Erklärung.
Sachsenkam liegt nun mal abgelegen, viele sind auf das Auto angewiesen, auch bei der Heimfahrt von der Diskothek, in vielleicht nicht mehr ganz nüchternem Zustand. Da passiert schon mal ein schlimmer Unfall mit tödlichen Folgen.
Ist im Film „Tödlicher Rausch“, den das ZDF an diesem Montag (20.15 Uhr) sendet, der Junge Florian, den man tot im Straßengraben findet, auch nur ein Unfallopfer? Oder steckt mehr in der massiven Alkoholvergiftung, an der er gestorben ist? Eifrig wird verdeckt, verdrängt, niemand will es gewesen sein. Nur Florians Schwester Nina, eben aus der Stadt in die dörfliche Enge ihrer Heimat zurückgekehrt und voll schlechten Gewissens gegenüber dem kleinen Bruder, den sie ein wenig vernachlässigt zu haben meint, forscht mit detektivischem Eifer den Schuldigen hinterher. Alle beäugen ihr Tun misstrauisch. Nur der eine steht ihr vermeintlich bei, der nette Dorfpolizist Georg.
Aber gerade er ist es gewesen, der am Ende eines Kneipenabends mit dem Bruder um die Wette getrunken hatte, wobei er sich vom verschwörerisch ihm zublinzelnden Kneipenwirt Glas um Glas nur Wasser einschenken ließ, während Florian den puren Schnaps in sich hineinkippte.
Alle wissen es, nur Nina nicht. Auch der Zuschauer ist von Anfang an eingeweiht. Regisseur Johannes Fabrick, der den Film nach einem Buch von Claudia Kaufmann inszenierte, sagt: „Wir wollten keinen konventionellen Who-did-it?-Krimi, sondern ein Drama.“ Am Anfang stand die Überlegung, etwas zum Thema „Jugend und Alkohol“ zu machen. Daraus wurde dann eine Geschichte voller menschlicher Verstrickungen, bei der sich aus jeder schlimmen Geschichten gleich noch eine schlimmere ergibt. „Das ist sozusagen ein Räderwerk, das sich da in Gang setzt, wenn einer zu seiner Schuld nicht zu stehen bereit ist“, sagt Fabrick. „Die Auswirkungen waren wichtiger als der eigentliche Krimi-Fall.“
Fritz Karl, mal mit bürgerlich strengem Haarschnitt statt der bei ihm gewohnten Casanova-Mähne, ist der Polizist Georg, dem Lisa Maria Potthoff als Schwester Nina bald nicht nur platonisch zugeneigt ist. Die geborene Berlinerin ist selbst auf dem Land aufgewachsen, „aber solche Erfahrungen habe ich nicht gemacht.“ Und der Drehort Sachsenkam wirkte auf sie ausgesprochen lieblich, die Bevölkerung dort sehr freundlich und nach einem früheren Fabrick-Film am gleichen Ort („Die Tochter des Mörders“) „uns verrücktem Filmvolk gegenüber ausgesprochen tolerant.“
Die Sehnsucht vieler Städter, beim Leben auf dem Land eine sozusagen heile Welt vorzufinden, ist für sie dennoch pure Illusion. Das bestätigt ihr Regisseur, gestandener Stadtmensch, vollauf: „Wo Menschen sind, da gibt es auch die Möglichkeit zur Tragödie. Pure Idylle findet sich nirgends.“