In den besten Jahren
Köln (dpa) - Bis heute beschäftigt der RAF-Terror der 70er und 80er Jahre Justiz und Medien in Deutschland. Im Mittelpunkt stehen dabei meist die Täter, den Opfern des Terrors bleibt nur eine Nebenrolle.
Das ARD-Krimidrama „In den besten Jahren“, zu sehen am Mittwoch (14. Dezember, 20.15 Uhr) im „Ersten“, bricht mit dieser Regel. Die Filmfiguren und ihre Lebensgeschichten sind zwar fiktiv, doch der zeitgeschichtliche Hintergrund der Ereignisse ist eng mit der Realität verbunden.
Der geliebte Familienvater wird bei einer Polizeikontrolle erschossen, der Mörder geht aufgrund der Kronzeugenregelung straffrei aus. „Wie geht ein einfacher Mensch ohne Lobby damit um?“, fragte sich Autor und Regisseur Hartmut Schoen im Vorfeld seines Films. Die Antwort lieferte er mit seiner Hauptfigur Erica Welves, gespielt von Senta Berger. „Ich habe die Geschichte auf sie zugeschrieben“, sagt Schoen.
Auch 40 Jahre nach dem Mord an ihrem Ehemann Anton Welves (Matthias Koeberlin) bestimmt die Tat noch den Alltag von Erica Welves. Sie lebt völlig zurückgezogen im selben Haus - mit der selben fünfstelligen Telefonnummer, wie damals. „Ich stellte mir eine Frau vor, die in ihrer hermetischen Welt eingeschlossen ist, eine Gefangene in ihrem Schmerz, alleine mit ihren Erinnerungen“, erzählt Berger der Nachrichtenagentur dpa in Köln. „Ein Mensch, der andere nicht mehr nahe an sich heran lässt.“
Nicht einmal die Tochter Jenny (Christina Große) kommt gegen die Trauer ihrer Mutter an, denn die Erinnerungen an die dunkle Vergangenheit sind allgegenwärtig. Ein Journalist bringt die Witwe dann zufällig auf die Spur des untergetauchten Täters - die Zeit für Vergeltung ist gekommen. Gemeinsam mit ihrem Freund Karl Wenzelburger (Matthias Brandt) begibt sich Erica Welves auf die schwierige Suche nach Gerechtigkeit und Vergebung.
Schauspielerin Senta Berger war bereits beim Lesen des Drehbuchs von dem Filmprojekt überzeugt: „Die Geschichte spielt heute, hat aber ihren Ursprung in der Vergangenheit, in den 70er Jahren in Deutschland. Das war die Zeit des großen gesellschaftlichen Aufbruchs und Umbruchs. Um nur ein Beispiel zu nennen: Michael Verhoeven, mein Mann, studierte damals Medizin und schmuggelte mich manchmal heimlich in die Vorlesungen. Ich war eine der wenigen jungen Frauen im Hörsaal. Heute studieren in manchen Jahrgängen mehr Frauen als Männer Medizin.“
Den Terror der RAF empfindet sie als große Tragödie: „Anfangs, so meinte man, wollten sie das Richtige, und dann sah man, welche dramatisch falschen Schlüsse sie gezogen haben.“
Generell habe man zu sehr täterorientiert über dieses Thema berichtet, sagt Hartmut Schoen. Und diese Schräglage in der Berichterstattung will er mit „In den besten Jahren“ zum Ausdruck bringen. Lob bekam der Film bereits von zwei Angehörigen von RAF-Opfern: „Ich habe den Film mehrmals gesehen und war sehr angetan, wie genau die Dialoge stimmen, die Verhaltensweisen in der betroffenen Familie und die bedrückende Atmosphäre in diesem stehengebliebenen Leben“, urteilte Ina Beckurts, Witwe des ermordeten Siemens-Managers Karl-Heinz Beckurts, nach einer Mitteilung des WDR.
Corinna Ponto, Tochter des 1977 von der RAF erschossenen Dresdner-Bank-Chefs Jürgen Ponto, sagte den Angaben zufolge: „Dies ist enorm nah an eigenen Erfahrungen, welche ich in meinem Leben gemacht habe. Man tastet immer wieder an einer Glasscheibe der Zeit. Das finde ich auch kongenial dargestellt von Senta Berger.“