Joseph Vilsmaier dreht in St. Petersburg
St. Petersburg (dpa) - Die Winteratmosphäre in St. Petersburg versetzt Regisseur Joseph Vilsmaier („Comedian Harmonists“) schlagartig in eine eiskalte Thrillerstimmung. Zum ersten Mal überhaupt dreht der 71-Jährige in Russland.
In dem Krimi mit dem Arbeitstitel „Russisch Roulette“ geht es auch um den gewaltsamen Tod eines Journalisten - ein politisches Reizthema in Russland angesichts der vielen unaufgeklärten Verbrechen gegen Medienvertreter.
Vor allem aber handelt der für 2012 geplante ARD-Zweiteiler von der deutschen Frau des russischen Reporters, die bei ihrer Rückkehr nach St. Petersburg zu allem Kummer noch ihren Sohn Nikolai (Emit Kafitz) im Großstadtgetümmel verliert. Katharina Böhm (46, „Der zehnte Sommer“) spielt die Mutter und Journalistin auf einer aufreibenden Spurensuche im Russland mit korrupten Machtstrukturen zwischen Bürokraten und Oligarchen.
Kein Politthriller, sondern „gute Fernsehunterhaltung“ im Stile eines „Tatort“-Krimis sei das Ziel, wie Vilsmaier und Böhm der Nachrichtenagentur dpa sagten. Eisig liegt die Stimmung an diesem Morgen über dem Petersburger Friedhof Smolenskoje, wo die Crew verpackt in dicken Winterjacken stundenlang Szenen filmt. Viel über den Inhalt verrät hier aber keiner. Spannung muss sein.
Auf einem Holzkreuz steht der Name von Viktor Kunin, dem getöteten Reporter. „Warum hat Papa nicht besser auf sich aufgepasst?“, fragt Nikolai und legt ein Foto von sich auf den weißen Schnee. Seine Filmmutter Katherina Wagner ist in dieser Eingangsszene den Tränen nahe. Doch schon wenig später verliert sie im Getümmel der Metro auch noch ihren Jungen. Eine Odyssee beginnt, bei der ihr vor allem Adam, gespielt von Heinz Hoenig, hilft.
Selbst Mutter eines Zwölfjährigen, könne sie sich nur allzu gut vorstellen, wie sie in einer solchen Situation reagieren würde - mit „absoluter Hysterie“. Dass solche Szenen an Schauplätzen in St. Petersburg gedreht werden, gilt schon als kleine Sensation. Immerhin machen immer noch viele Menschen aus dem Westen um das als gefährlich und unberechenbar verschriene Land lieber einen Bogen.
Vilsmaier kann solchen Horrorklischees nichts abgewinnen. Seinen Film „Stalingrad“ hatte er noch in Prag gedreht, aber diesmal sollte es das authentische Russland sein. „Ich lass mir nichts vormachen. Ich habe lauter tolle Erlebnisse“, sagte der 71-Jährige der dpa. Er könne auch Kollegen nur empfehlen, Ängste hinter sich zu lassen und Russland als Drehort zu entdecken.
Korruption? Autoritäre Polizei? Überbordende Bürokratie? Er selbst spüre von diesen immer wieder auch von deutschen Unternehmern kritisierten Grundmängeln in Russland nichts. „Perfekte Organisation. Hilfsbereite Polizei. Ich fühle mich sauwohl“, lautete sein Fazit nach den ersten Tagen des noch bis 16. Dezember angesetzten Drehs.
Als Deutscher denke er auch daran, wie die Nazis mit ihrer Blockade Leningrad, wie die Stadt zu Sowjetzeiten und damit auch im Zweiten Weltkrieg hieß, damals haben ausbluten lassen. In seinem Film will er nun das prachtvoll sanierte Petersburg, das nachts im Lichterglanz erstrahlt, festhalten.
Rund 3,6 Millionen Euro kostet die Produktion. Zwar arbeitete die Crew die meiste Zeit in Prag - vor allem für die Innenaufnahmen. In Petersburg sehen die Menschen den Film aber als Chance, künftig noch mehr Touristen in die frühere Zarenmetropole zu locken, die nicht nur zu den weißen Nächten, sondern auch im Winter ihren Charme hat.
„Ich nutze die Gelegenheit, mir etwas hinzu zu verdienen“, sagte die arbeitslose Lehrerin Swetlana, die als Statistin in der Lenin-Straße in der Kälte auf ihren Einsatz wartet. Es sei gut, wenn sich ihre Heimat dem Westen auf diese Weise für einen Film öffne und das sowjetische Image eines verschlossenen Regimes abschüttele. „Es hilft, sich als Europäer zu fühlen“, sagt sie.