Junggesellenabschiede: Spaß satt vor dem Ja-Wort

Die „letzten Tage in Freiheit“ wollen gefeiert sein. Vor dem Ja-Wort gehen Braut und Bräutigam dafür oft getrennte Wege — allerdings nicht ohne die jeweils besten Freunde.

Düsseldorf. Es klingelt an der Tür. Zehn Mädchen stürmen herein, rufen „Überraschung“ und schauen in Marias verdutztes Gesicht. Schnell den Koffer gepackt — dann entführen sie die Braut zum Junggesellinnenabschied von Köln nach Hamburg.

Im Gepäck dürfen Kölsch und Sekt nicht fehlen, ebenso wenig wie die Kopfschmerztabletten für den nächsten Morgen. Im Zug Richtung Norden wird geprostet, Musik gehört, getanzt: Die Freundinnen stimmen sich ein auf das große Partywochenende.

Die Reeperbahn im Hamburger Stadtteil St. Pauli ist eine einzige riesige Partymeile. Dort tummeln sich an Wochenenden unzählige Junggesellen auf Abschiedstour. Bei den Frauen steht der Stripclub von Olivia Jones ganz oben auf der Beliebtheitsskala. Dort tanzen „Olivias Wilde Jungs“ — mal peppig, mal etwas gediegener als James Bond verkleidet — an der Stange, und die Mädels johlen.

Feiern kombiniert mit Sightseeing: So gestalten immer mehr Zeitgenossen ihre Junggesellenabschiede. Der Bonner Student Thomas M. (28) etwa feierte acht Tage lang in fünf europäischen Städten — Istanbul, Mailand, Dublin, Madrid, Amsterdam. „Die Bedeutung des Junggesellenabschieds nimmt zu“, sagt Christian Keller, der seit 2009 die Firma „Party Kings“ in München führt. Er bietet spezielle Junggesellenabschiedsreisen an. „Die Leute fahren gerne weg und erinnern sich später an eine schöne Tour“, sagt Keller.

Auch die 27-jährige Braut aus Köln hatte sich eines ausdrücklich gewünscht: keinen Standard-Junggesellinnenabschied. Was Rheinländer sich inzwischen darunter vorstellen, hat Andrea Graf vom Landschaftsverband Rheinland untersucht: Braut und Bräutigam feiern getrennt mit ihren Freunden. Sie müssen „Spiele mit Passanten machen, etwas verkaufen, der Junggeselle muss sich oft verkleiden, die Gruppe trägt häufig einheitliche T-Shirts“, fasst Graf zusammen. Beliebte Sprüche: „Letzter Tag in Freiheit“, „Germany’s next Topwife“ oder auch „Brautalarm“.

Der Junggesellenabschied in seiner jetzigen Form hat sich seit den 90er Jahren im großen Stil verbreitet, berichtet Graf. Zuvor wurde vor allem gepoltert. In den 1980ern aber wurden die Polterabende immer exzessiver, es wurde laut Graf zunehmend übertrieben. Berge von zerbrochenem Geschirr und Müll landeten auf dem Hof. Die Paare interessierten sich deshalb stärker für alternative Feier-Formen. So kam der Junggesellenabschied im darauffolgenden Jahrzehnt immer mehr in Mode, ohne allerdings den Polterabend gänzlich abzulösen.

Inzwischen wandelt sich der Junggesellenabschied erneut, wie Graf herausgefunden hat. Die lautstarken, betrunkenen Gruppen etwa in der Düsseldorfer oder Kölner Altstadt sind vielen Menschen peinlich: „Es entwickelt sich eine neue Form“, bestimmt von Ausflügen, Unternehmungen und Reisen.

Diesen Trend hat der Münchener Unternehmer Christian Keller zum Geschäftsmodell ausgebaut. „Mein eigener Junggesellenabschied war sehr überschaubar. Wir waren in der Bar, in der wir sonst auch immer waren, und haben banale Spiele gespielt“, erinnert er sich. So kam ihm die Idee, spannende Angebote zu machen. „Menschen aus Nordrhein-Westfalen fahren gern nach Amsterdam, weil es gut erreichbar ist. Bei Hessen und Bayern ist Prag angesagt.“ Der Klassiker für Männer: eine Reise in die goldene Stadt inklusive Paintball spielen oder Go-Kart-Fahren. Aber auch Wellenreiten und die Limousine mit Stripperin können gebucht werden.

„Frauen geben tendenziell mehr Geld aus als Männer“, sagt Keller. Inzwischen macht die Firmen-Sparte für Frauen („Party Queens“) 35 Prozent des Geschäftes aus. Im Angebot für die Damen ist natürlich auch die Table-Dance-Bar mit Stripper, aber generell setzten Frauen mehr auf Wellness. Schminken, Bauchtanz-Kurse oder Karaoke seien sehr beliebt. Keller plant schon weiter: „Zurzeit bieten wir für Männer sieben Städte als Ziele an, für Frauen drei. Aber wir werden das noch ausbauen, denn die Nachfrage ist da.“

Die Kölner Junggesellinnentruppe ist nach drei Tagen Hamburg begeistert. „Es war so toll. Ihr seid verrückt“, sagt Braut Maria beim Abschied gerührt. Anstrengend war es aber auch. Feiern und trinken bis in den frühen Morgen — das macht sich auf der Rückfahrt bemerkbar. Im Zug wird geschlafen.