Ausstellung „Menschen machen Kleider“: Künstler kleidet Obdachlose schick ein
Can Kalvelage (21) eröffnet in der Ausstellung „Menschen machen Kleider“ einen neuen Blick auf Menschen von der Straße.
Düsseldorf. Uwe schaut fast finster in die Kamera. Sein Gesicht ist von Furchen durchzogen; von einem Leben gezeichnet, das ihn älter wirken lässt als seine 53 Jahre. Auf den nackten Schultern sind ausgeblichene Tätowierungen zu sehen, die von seiner Vergangenheit als Seefahrer zeugen.
Von dem Bild daneben lächelt ein schicker Mann in schwarzem Mantel, mit teurer Uhr und Sonnenbrille — ein Regisseur könnte er sein, vielleicht Bauunternehmer. Es ist wieder Uwe. Er ist eines der Gesichter aus der Ausstellung „Kleider machen Menschen“, die der junge Künstler Can Kalvelage im Integrationsministerium an der Haroldstraße zeigt.
Das Foto von Uwe im feinen Zwirn wirkt wie der Sprung in ein Paralleluniversum, in dem das Leben des 53-Jährigen weitergegangen ist, wie es begonnen hatte. Denn tatsächlich hatte er früher ein Bauunternehmen in Berlin. Aus familiären Gründen sei er abgestürzt, sagt Fotograf Kalvelage — mehr will er nicht verraten, um Uwes Vertrauen nicht zu missbrauchen.
Der Obdachlose ist für den 21-jährigen Essener weit mehr als ein Motiv. „Ich habe ihn über einen langen Zeitraum kennengelernt.“ Er zog mit ihm herum, trank mal ein Bier mit ihm. Hörte sich Geschichten an. „Er hat einiges erlebt. Und er ist ein sehr herzlicher Mann“, berichtet Kalvelage. „Das war der Beginn der Ausstellung.“
Der junge Fotograf ist schon länger engagiert in der Obdachlosenhilfe. So lernte er viele seiner rund 30 Akteure kennen, andere traf er auf den Straßen der Ruhrgebietsstadt und setzte sich dazu. Mindestens die Hälfte der Obdachlosen schickte ihn weg. Die anderen ließen Kalvelage nah an sich heran.
Der Essener Künstler gibt den Menschen, die er anzieht und ablichtet, einen neuen Blick auf sich selbst — und ein neues Spiegelbild in den Augen der Anderen. „Manchmal sind es Kleinigkeiten“, sagt er. Jürgen nahm Kalvelage mit zu seinem Friseur, spendierte ihm einen Haarschnitt und eine Rasur. Ellen fotografierte er erst mit strähnigen Haaren und Schlabbershirt vor dem VW-Bus, in dem sie wohnte, dann mit leichtem Make-up und rotem Schal, ein Lächeln auf den rosa-glänzenden Lippen. „Sie hatte Tränen in den Augen, als ich ihr das Bild gezeigt habe“, erinnert sich der Künstler. „So hatte sie sich seit Jahren nicht gesehen.“
Und es war ein Blick in die Zukunft: Ellen hat heute wieder eine Wohnung, ihre Kinder leben bei ihr. „Das Projekt sollte den Menschen ein Stück Würde zurückgeben“ sagt Kalvelage. Vielleicht hat sein Bild auch Ellens Bild von sich selbst geradegerückt und ihr den Anstoß für den Schritt in ein anderes Leben gegeben.