In Deutschland Mindestens 3700 Kinder und Jugendliche wurden Opfer sexuellen Missbrauchs
München · Im Vatikan versucht Papst Franziskus mit einer mehrtägigen Konferenz den Missbrauchskandal der katholischen Kirche aufzuarbeiten. Doch nicht zuletzt das Beispiel Deutschland zeigt, dass dies nicht so einfach ist.
Seit neun Jahren ist der Skandal bekannt, in den Griff hat ihn die deutsche Kirche noch nicht bekommen.
Wie viele Täter gab es in Deutschland?
Eine im vergangenen Jahr von der Bischofskonferenz veröffentlichte Studie spricht von 1670 Klerikern, die zwischen den Jahren 1946 und 2014 des sexuellen Missbrauchs beschuldigt wurden. Die tatsächliche Zahl dürfte laut den Studienmachern höher liegen.
Um was für Täter handelt es sich?
1429 der Beschuldigten waren Priester, die in Gemeinden arbeiteten. Der Studie zufolge verging sich damit mehr als jeder zwanzigste Gemeindepfarrer (5,1 Prozent) an Kindern. Dazu kommen 159 Mönche (2,1 Prozent der Ordenspriester) und 24 Diakone (ein Prozent).
Wie viele Opfer hatten die Priester?
Der Studie zufolge gab es 3677 Opfer. Damit kamen auf einen Beschuldigten rechnerisch 2,5 Opfer. Dies waren weniger Opfer pro Täter als in der allgemeinen Strafrechtsstatistik, wo auf einen Täter 3,9 Opfer kommen. Bei gut der Hälfte der Beschuldigten konnte nur ein Opfer festgestellt werden - bei einem Kleriker waren es sogar 44 Opfer. Auffällig ist, dass anders als bei sexuellem Missbrauch außerhalb der Kirche deutlich häufiger Jungen zu Opfern wurden.
Was waren typische Tatorte?
Drei Viertel der Betroffenen standen mit den beschuldigten Priestern in einer direkten kirchlichen oder seelsorgerischen Beziehung - etwa durch Ministrantendienst, Religionsunterricht oder Firmungsvorbereitungen. Fast die Hälfte der Tathandlungen fanden bei privaten Treffen etwa in Dienstwohnungen statt, viele Vorfälle allerdings auch in kirchlichen Räumen oder Ferienlagern. Selbst im Beichtstuhl kam es zu Vergewaltigungen.
Wie wurden in Deutschland die Priester bestraft?
Nur ein Drittel der beschuldigten Priester und Diakone (33,9 Prozent) war mit kirchenrechtlichen Verfahren konfrontiert, mehr als die Hälfte (53 Prozent) nicht. Jedes vierte kirchenrechtliche Verfahren wurde ohne Sanktionen eingestellt. Drastische Maßnahmen wie die Entlassung aus dem Priesterstand waren sehr selten. Strafanzeigen wurden ebenfalls nur in etwa einem Drittel der Fälle (37,7 Prozent) gestellt. Das heißt, die meisten Priester kamen trotz des Bekanntwerdens der Vorwürfe ungeschoren davon.
Ist das Problem behoben?
Nein. Die von der Bischofskonferenz bezahlten Studienmacher kamen ausdrücklich zu dem Schluss, dass wegen der kirchlichen Strukturen eine unveränderte Gefahr für Kinder besteht. Innerhalb der deutschen Kirche wird seither versucht, die bestehenden Strukturen zu verändern. Auf ihrer Mitte März stattfindenden Frühjahrsvollversammlung wollen die Bischöfe über den aktuellen Stand berichten.
Derweil werden nach wie vor neue Fälle - meist aus der Vergangenheit - bekannt. So veröffentlichte das Bistum Augsburg Donnerstag einen Bericht über ein früheres Kinderheim, in dem körperliche und sexuelle Gewalt über Jahre zum Alltag gehörten.