München, du kannst so hässlich sein

München (dpa) - München gilt als eine der schönsten Städte Deutschlands, doch die bayerische Landeshauptstadt kann auch anders: Frei nach Peter Fox, der über seine Heimatstadt Berlin sang, heißt es bei der „Munich Ugly Tour“: „Guten Abend München, du kannst so hässlich sein, so dreckig und grau.“

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Die Tour am Donnerstagabend startet unter erschwerten Bedingungen: Die Sonne strahlt vom beinahe wolkenlosen Himmel. „Wir haben auf Regen gehofft, damit die Gebäude noch hässlicher aussehen“, sagt der Brite und frühere BBC-Journalist Eugene Quinn, der in seinem Wohnort Wien die Idee zu hässlichen Touren durch schöne Städte hatte und sie dort regelmäßig anbietet.

„In München ist es wie in Wien: Die Leute werden von der Schönheit ihrer Stadt so gelangweilt, dass sie die Stadt gar nicht mehr wahrnehmen“, sagt Quinn. „Darum laden wir sie ein auf die dunkle Seite.“

Die dunkle Seite, das ist das graue City-Parkhaus mitten in der Stadt, von dessen Fassade noch Kabel hängen. Das ist ein noch graueres, mit Anti-Tauben-Netzen verziertes Kaufhaus in Bahnhofsnähe. Das ist ein neues Sportgeschäft, das viel Platz für Fenster hat, aber kaum Fenster und das Quinn „leicht faschistisch“ findet. Das ist ein Fünf-Sterne-Hotel, das von außen vor allem mit Plastik-Optik besticht. „Es sieht aus wie ein Container-Schiff, das Bananen über die Weltmeere transportiert.“

Die dunkle Seite, das sind vergessene Ecken in der sonst so gepflegten Bayern-Metropole, die erst auffallen, wenn jemand darauf zeigt. „Wir wollen die Verlierer-Gebäude, die Underdog-Gebäude, feiern“, sagt Quinn und klettert auf einen unansehnlichen Stromkasten auf dem Bürgersteig. Er trägt eine orangefarbene Hose, die Teil einer Müllmann-Uniform ist. „Es geht hier ja um Müll.“ Rund 70 Einheimische und Touristen folgen ihm - im Laufe der Tour wächst die Gruppe.

Die „Munich Ugly Tour“ ist ein einmaliges Projekt, weitere Touren sind nicht geplant. „Wie ein Flashmob“, sagt Quinn. Eine Passantin, der die Gruppe in der Fußgängerzone entgegenkommt, sagt hingegen: „Oh, eine Demonstration.“

Quinn führt seine Gefolgschaft auch an ungewöhnliche Orte: Die überbordende Asamkirche, ein besonders opulentes Barock-Statussymbol des Katholizismus, findet er - Sohn eines irischen Vaters, der Priester werden wollte, bevor er Quinns Mutter kennenlernte - „lächerlich“. „Es sieht aus, als lebe ein Rapper darin. Eine Gold-Explosion.“

Auch rote und rosafarbene Geranien an der Fassade eines Kaufhauses in der Fußgängerzone kann Quinn nicht ausstehen - eine mutige Aussage in Bayern, dem Mutterland der Geranien-Fassaden.

Auf der Tour gehe es um „Schadenfreude“ an Bausünden - aber auch um die Frage, wie die Stadt von morgen aussehen kann, wenn die „obere Mittelklasse“ schon heute anfange, ihre Luxuswohnungen mit Zäunen und Toren vom Rest der Stadt abzuschotten. Auch dafür zeigt Quinn Beispiele. „Studenten, Migranten und Kreative werden aus dieser Stadt rausgepresst“, sagt er.

Organisiert hat die Tour das Münchner Umweltschutzprojekt „Green City“, das vorher auf Facebook gefragt hatte, was die Münchner an ihrer Stadt nicht mögen. „Was München hässlich macht, ist, dass es keine Farben hat“, zitiert Silvia Gonzalez von „Green City“ eine der Meinungen. Zwei der meistgenannten Schandflecken - der Hauptbahnhof und die taubenverseuchte Paul-Heyse-Unterführung direkt nebenan - sind allerdings aus organisatorischen Gründen nicht Teil der rund dreistündigen Tour.