Nach 3841 Jaworten: Hochzeits-Leuchtturmwärter tritt ab
Pellworm (dpa) - Ein letztes Mal wird Kapitän Wilfried Eberhardt am 20. Dezember das Trauzimmer im Pellwormer Leuchtturm vorbereiten.
Einmal noch ein Brautpaar mit dem Schlagen der Schiffsglocke und einer Kapitänszeremonie in den Hafen der Ehe geleiten. Dann ist Schluss: Nach genau 3841 Hochzeiten wird der 75-Jährige die Tür des rot-weiß gestrichenen Turms zuschließen. Ein Pionier der Leuchtturmhochzeiten tritt ab.
Wehmütig wirkt Eberhardt nicht, wenn er in diesen Tagen auf sein besonderes Unterfangen zurückblickt, das die nordfriesische Insel weithin bekanntgemacht hat. Dankbar klingen seine Erzählungen von heiteren wie rührenden Begebenheiten.
Einmal habe sich eine ganze Hochzeitsgesellschaft in gelbem Ölzeug - komplett mit Gummistiefeln und der wasserdichten Kopfbedeckung Südwester - schweißgebadet die 140 Stufen hinaufgekämpft. „Das fanden die sehr originell.“ Oder das Paar, das gegen seinen Rat mit einem Kajak von Eiderstedt nach Pellworm paddelte, im Neoprenanzug heiratete und auf dem Rückweg fast einen Einsatz der Seenotretter auslöste.
Für etliche Paare, die aus aller Welt kamen, war die Hochzeit auf Pellworm nicht der erste Versuch; einige kletterten mit Eberhardt auf den oft sturmumtosten Leuchtturm, um ein bestehendes Eheversprechen in schwieriger Zeit zu erneuern. „Ich habe so viele wunderbare Menschen kennengelernt. Das ist eine der wertvollsten Erfahrungen, die ich in meinem Leben machen konnte.“
Viele meldeten sich Jahre nach der Hochzeit wieder, etwa um von der Geburt ihrer Kinder zu erzählen. Aber auch, wenn eine im Leuchtturm geschlossene Ehe traurig endete, erfuhren Eberhardt und seine Lebensgefährtin Barbara Küchler das oft in berührender Weise. „Ich hatte schon nächtliche Anrufe und lange Gespräche, wenn ein Partner gestorben war“, sagt die 75-Jährige.
Arne Bruhn und seine frisch angetraute Frau Janine aus Hannover kommen nach der Zeremonie die Treppen des Turms herunter und strahlen. „Wir haben schon immer Leuchttürme als ein Symbol gesehen. Das war wunderbar, ein tolles Erlebnis.“
Ein Blick in das Gästebuch zeigt die bleibende Verbundenheit mit Pellworm. So verbringt ein Paar seine Hochzeitstage immer auf der Insel: „Der Leuchtturm steht für uns als festes Symbol und wie auch im letzten Jahr haben wir auf dem Deich gesessen und auf den Leuchtturm geschaut.“
Die beiden 75-jährigen Organisatoren leben in einem urigen Reetdachhaus ein paar Kilometer nördlich des Turms inmitten eines Gartens mit knorrigen Bäumen, Hecken und Blütenpracht im Sommer. Beide hatten sich bereits als junge Leute ineinander verliebt. Zunächst wieder getrennt, fanden sich der Seemann und die Leiterin eines Studienzentrums erst Jahrzehnte später wieder.
Jedes Brautpaar bekommt von Eberhardt ein von einem Künstler gestaltetes, handschriftlich ausgestelltes Zertifikat - mit laufender Nummer, Stempel, Unterschrift. Das gilt auch für Besucher, denen Eberhardt den seit 1907 betriebenen stählernen Leuchtturm erklärt - vom Fundament auf 127 Eichenstämmen bis zum kilometerweit auf die Nordsee hinausreichenden Licht. Fast 60 000 Frauen, Männer und Kinder waren es insgesamt, gut 50 Mal so viele, wie die Insel Einwohner hat.
Der Kapitän setzte mit der ersten Hochzeit auf einem noch betriebenen Leuchtturm im Mai 1998 früh auf den Trend zum Heiraten an besonderen Orten. Standesbeamte in ganz Deutschland verlassen inzwischen immer öfter die Amtsstuben. Trauungen auf der Zugspitze in fast 3000 Metern Höhe sind ebenso möglich wie 800 Meter unter Erde im Erlebnis-Bergwerk Merkers in Thüringen.
Hochzeiten seien sehr wichtig für Pellworms Wirtschaft, sagt Amtsvorsteher Matthias Piepgras. „Ich würde mich freuen, wenn wir das noch ausbauen können.“ Etwa 300 Mal im Jahr geben sich Heiratswillige auf der nordfriesischen Insel das Ja-Wort.
Was folgt nun nach vielen Tausend Mal 140 Stufen? Ein ruhiges Rentnerleben? „Nein, ich habe schon neue Pläne“, sagt Eberhardt, lächelt und verrät nichts. Einen maritimen Bezug habe es natürlich und werde nicht mehr so viel Zeit in Anspruch nehmen. Hochzeiten wird es aber weiterhin auf dem Leuchtturm geben.