Neue Pläne zum 70. - Breloer bringt Brecht

Köln (dpa) - Heinrich Breloer steckt wieder tief in der Arbeit. Sein neues Thema: Bertolt Brecht. In seinem Büro über den Dächern der Kölner Südstadt stapeln sich DVDs mit alten Filmaufnahmen und Interviews, an der Wand stehen lange Reihen Aktenordner mit der Aufschrift „Brecht“.

Briefe des Dramatikers und Tagebücher seiner Mitarbeiter hat er ebenfalls da. Breloer wird bald 70 - am Freitag (17. Februar) ist es so weit. Aber die Feier wird nur eine kurze Unterbrechung seiner Recherche sein.

Der Filmemacher ist ein Spezialist dafür, sich „in ein Leben hineinzufragen“ und Gesprächspartner „aufzuschließen“, wie er es nennt. Seine wohl größte Entdeckung war Elisabeth Mann Borgese, die jüngste Tochter Thomas Manns mit dem unnachahmlich ansteckenden Lachen. Erst durch seine Dokumentationsreihe „Die Manns“ wurde sie einem breiten Publikum bekannt. Breloer hatte sich von ihr an die Stätten der Familiengeschichte führen lassen. „Sie fuhr mit uns durch Amerika und Südfrankreich, und dann merkte ich plötzlich: Sie macht die Abschiedsreise ihres Lebens. Sie wird an diese Orte nicht mehr zurückkommen.“ Kurz nach der Ausstrahlung starb sie.

Breloer weiß auch noch genau, wie er vor über 30 Jahren Albert Speer anrief, den einstigen Nazi-Architekten und Hitler-Liebling. „Ich war verblüfft, dass da an der anderen Seite jemand "Speer" sagte. Man konnte mit dem Dritten Reich telefonieren!“ Später entdeckte er Dokumente, die bewiesen, dass Speer - anders als jahrzehntelang behauptet - sehr wohl von Auschwitz gewusst hatte. Damit veränderte Breloer das Bild des Rüstungsministers auf Dauer.

Sein bisher einziger Kinofilm, die „Buddenbrooks“, war dagegen zwar ein Publikumserfolg, doch die Kritiker versagten ihm überwiegend Lob und Preis. Er habe es allen recht machen wollen und sei dadurch zu beliebig geblieben, war ein Vorwurf. Eine neue Erfahrung für den vielfach ausgezeichneten Breloer. „Ich wollte klassisch einen Roman verfilmen“, sagt er dazu. „Das war keine Untat.“ Und doch: Wenn er noch einmal einen Kinofilm machen sollte, würde er „mehr riskieren“.

Zunächst ist er allerdings in sein angestammtes Metier zurückgekehrt, die mit Spielfilmszenen verwobene Dokumentation. An Brecht interessiert ihn unter anderem, warum sich dieses literarische Genie der DDR verschrieb. Nichts findet er fesselnder, als Menschen aus anderen Epochen nachzuspüren, die auch heute noch relevant sind. Der Interviewpartner, für den er sich am meisten interessieren würde, ist jedoch keine Person der Zeitgeschichte, sondern sein Vater. Der starb, als der Sohn erst zwölf Jahre alt war. Vieles würde er ihn fragen - zum Beispiel, warum er ihn auf ein Internat geschickt hat, das für ihn die Hölle bedeutete.

Nur einmal im Monat durfte er in das vom Vater betriebene Hotel in Marl zurückkehren. Dort setzten sich die Gäste in Szene wie auf einer Bühne. Es war ein Sehnsuchtsort für ihn. „Ich habe nie verstanden, warum ich in die Verbannung geschickt wurde, obwohl zu Hause das Paradies war.“ Auf der Suche nach einer Antwort hat er kürzlich sogar eine Angestellte seines Vaters befragt - richtig mit Tonband, so wie er es sonst professionell macht.

Letztlich, so sagt er, ging es ihm bei all seinen Projekten immer auch darum, mehr über sich selbst zu erfahren. „Deshalb habe ich auch Literatur studiert: In den Figuren von Thomas Mann habe ich mich wiedererkannt. Und Dichter sind oft Außenseiter, das war ich auch. Später habe ich Menschen befragt, um dadurch auch mich besser kennenzulernen.“ Weiß er heute mehr? „Oh ja, ganz bestimmt.“

Während Breloer erzählt hat, ist die Wintersonne ein ganzes Stück weitergewandert, so dass sie ihn nun ausleuchtet wie ein Filmscheinwerfer. Er rückt zur Seite. Das Telefon klingelt - es ist jemand, der ihm unveröffentlichtes Material zu Brecht anbietet. „Ich muss gerade noch etwas zu meinem Geburtstag erzählen“, sagt er. „Aber in drei Minuten rufe ich zurück!“