Pro & Contra „Nose to Tail“- Bewegung: Soll möglichst viel vom Tier auf den Tisch?

Steak, Hack und Hühnerbrust: Wenn Bundesbürger an der Fleischtheke einkaufen, bleiben sie lieber an der Oberfläche von Schlachttieren. In Delikatessrestaurants sind Innereien im Kommen - sehr zur Freude von Umweltaktivisten. Ein Pro & Contra.

Im Restaurant Herz&Niere verarbeitet ein Koch die Zunge eines Schweines. Das Restaurant hat es sich zur Aufgabe gemacht die verpönte Innereienküche neu zu interpretieren.

Foto: Sina Schuldt

<h2>Pro

Die weitgehende Verwertung ist Ausdruck von Respekt und Protest gegen die Auswüchse der Wegwerfgesellschaft.

Von Ekkehard Rüger, ekkehard.rueger@wz-plus.de

Vegetarier und radikale Tierschützer werden vermutlich sagen: Der einzige Respekt, den man einem Tier zollen kann, ist, es unter guten Umständen am Leben zu lassen. Aber der Gedanke des Respekts hat auch unter Fleischverarbeitern und -essern seine Berechtigung. Die möglichst weitgehende Verwertung des geschlachteten Tieres war in der Nachkriegsgeneration noch eine Selbstverständlichkeit — und ist zusammen mit einer artgerechten Haltung und einem reduzierten Fleischkonsum auch heute das Gebot der Stunde.

Man kann ökologisch argumentieren (eine höhere Ver argu mentieren - wertung bedeutet weniger Tier- und damit auch weniger Flächenverbrauch für die Futterproduktion). Oder entwicklungspolitisch (die Resteexporte zerstören lokale Handelsstrukturen). Oder konsumkritisch (die Beschränkung auf vermeintliche Edelteile des Tieres ist ein besonders abstoßender Ausdruck der Wegwerfmentalität). stoßender Weg werfmentalität).

Ob dafür die „Nose to Tail“- Bewegung jede Kuttel zur hippen Delikatesse erklären muss oder nicht auch ein unaufgeregter Blick in Omas Rezeptbuch genügt, muss jeder für sich selbst entscheiden. Aber die Suche nach einem Metzger, der überhaupt noch alle Tierteile verarbeiten und liefern kann, lohnt sich in jedem Fall: aus Gründen des Respekts — und des Geschmacks.

Innereien sind kein kulinarischer Gewinn. Und bewusster Fleischkonsum heißt nicht, dass man alles essen muss.

Von Ellen Schröder, ellen.schroeder@wz-plus.de

Deftige Küche mag nicht jeder. Manch einer verzieht schon den Mund, wenn im Brauhaus Kassler oder Sülze auf der Speisekarte stehen. Wer jetzt also das Comeback der Innereien feiert und seinen Gästen Leber, Nierchen oder Herz auftischt, sollte sich auf ein „Dinner for one“ einstellen. Die meisten finden es unappetitlich, alle Teile eines Tieres zu verspeisen — zu präsent sind wohl noch Omas mehr oder weniger sanft gegarte Saure Nierchen oder die Ekel-Momente aus dem letzten Dschungelcamp. Nachhaltigkeit und ein verantwortungsvoller Fleischkonsum sind die eine Seite. Und sicher ist es auch zeitgemäß, dass möglichst viel vom Tier — wenn es denn schon sterben muss — auf dem Teller landet.

Die Franzosen machen es doch vor: Da sagt niemand „pfui“ oder „bäh“, wenn eine Taubenpraline mit der Leber des Vogels gereicht oder die berühmte Andouillette aus Schweinedarm und -magen serviert wird, die mit ihrer etwas eigenwilligen, gummiartigen Konsistenz allerdings dann auch sehr intensiv riecht. Nein, ein Comeback der Innereien muss es nicht geben. Waren die überhaupt schon mal in? Ihr schlechter Ruf kommt schließlich nicht von ungefähr — auch wenn viele von einer konditionierten Abneigung sprechen. Ein feines Filet schmeckt einfach viel besser. Und für den eigenen Bauchspeck ist’s auch besser.