Straßenmusikerin in Baku: Dänemarks ESC-Hoffnung Soluna
Stuttgart (dpa) - Wer Gee Gee Kettel zum ersten Mal sieht, dem ist sofort klar, dass hier ein Straßenmusiker der alten Schule aufspielt. Mit viel Erfahrung baut er Schlagzeug, Gitarre und Mundharmonika um sich herum auf und legt dann mit seinen Country- und Rockklassikern los.
Bis vor einigen Jahren war er dabei nicht allein. Seine Tochter Soluna stand und sang regelmäßig in den Fußgängerzonen neben ihm. Doch die hat am Dienstag nun einen deutlich größeren Auftritt: Mit ihrer Popcountry-Ballade „Should've Known Better“ tritt sie für Dänemark im Halbfinale beim Eurovision Song Contest in Baku an.
Moment - Der Vater ein ehrlicher Straßenmusiker und die Tochter nun mittendrin im buntesten Popspektakel der Welt, geht das überhaupt zusammen? „Auf jeden Fall. Ich habe ihr vor einem Jahr gesagt, sie soll da mitmachen“, sagt der Vater und ergänzt lachend: „Dann wäre wenigstens qualitativ etwas Interessantes dabei, habe ich gesagt.“ Das haben auch eine Menge Dänen so gesehen, als sich die 21-Jährige Ende Januar in Aalborg ziemlich überraschend gegen neun Konkurrenten durchsetzte.
Solunas Vater Gee Gee (die Abkürzung steht für Gerd George) lebt seit 1980 als Straßenmusikant und tingelt unter anderem durch Deutschland, die USA und Südamerika; derzeit stehen beispielsweise Leipzig, Nürnberg und Würzburg auf dem Zettel. Den Winter verbringt er dann in Südamerika, während Solunas Mutter (eine Schweizerin) hauptsächlich auf der dänischen Insel Bornholm lebt. Dort ging Soluna auch zur Schule, wenn sie nicht gerade mit ihrem Vater in Fußgängerzonen von Leipzig, Nürnberg, Würzburg oder eben Stuttgart stand.
„Ihr erstes Kinderschlagzeug habe ich ihr gekauft, als sie fünf Jahre alt war, einfach um sie zu beschäftigen“, erinnert sich Gee Gee. Immer besser sei sie geworden, habe irgendwann eigene Musik aufgenommen, bis schließlich die Produzenten des Eurovisionstitels auf sie zu kamen. Mit ihr zusammen schrieben sie die Ballade über ein Mädchen, das vergeblich um ihren Schwarm wirbt. „Das Schöne ist auf jeden Fall, dass sie voll hinter dem Lied steht“, erklärt der Vater.
Diese Authentizität der Dänin sehen auch andere: In Fankreisen und bei den Buchmachern zählt Soluna Samay wie auch Roman Lob zum erweiterten Favoritenkreis, eine Qualifikation am Dienstag scheint sicher und am Samstag ein Platz in den Top 10 wirkt auch möglich. Doch manche Stimmen sind auch unsicher: „Wenn da nur nicht dieser Hut wäre!“, sagen sie in Anspielung auf einen alten Kapitänshut, den Samay bei der Vorentscheidung trug und auch bei den Proben in Baku auf hat.
Aber dieses Rätsel kann der Vater lösen: „Das ist die Mütze von einem alten Freund, einem Straßenkünstler, den ich in den siebziger Jahren in Stuttgart das erste Mal gesehen habe“, erzählt er. Mit dem Mann sei eine Freundschaft entstanden, so dass er sogar seinen 70. Geburtstag bei den Freunden auf Bornholm feierte. „Die Mütze hat er dabei bei uns vergessen“, sagt Kettel - und konnte Jahre später im Fernsehen bewundern, wie die neue Inhaberin damit ein ganzes Land eroberte.