Trinken bis der Arzt kommt: Komasaufen nimmt zu

Hamburg (dpa) - Immer mehr Jugendliche trinken, bis der Arzt kommt. Einen besonders hohen Anstieg beim sogenannten Komasaufen gab es nach Zahlen der Krankenkasse DAK im Jahr 2009 in Niedersachsen mit 2685 Fällen (plus 10,3 Prozent zu 2008).

In Berlin kamen 408 Kinder und Jugendliche nach Alkoholmissbrauch in ein Krankenhaus, das war ein Zuwachs von sechs Prozent. Rückgänge gab es dagegen in Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Auch in Rheinland-Pfalz ging die Zahl leicht um 1,7 Prozent auf 1475 Fälle zurück. In einigen Ländern haben sich die Fälle innerhalb von zehn Jahren annähernd verdoppelt. Für das Jahr 2010 liegen noch keine Zahlen vor.

Auch deutschlandweit wurden 2009 mehr Jugendliche mit einem Vollrausch im Krankenhaus behandelt als im Vorjahr, wie aus Daten des Statistischen Bundesamtes hervorgeht. So mussten 2009 knapp 26 000 junge Patienten in der Klinik ausnüchtern, etwa 600 mehr als 2008.

„Suchtkarrieren beginnen in der Regel mit Alkohol oder Nikotin“, sagte der DAK-Psychologe Frank Meiners der Nachrichtenagentur dpa. Der allzu sorglose Umgang vieler junger Menschen mit den legalen Drogen Bier, Schnaps oder Wein müsse stärker als bisher in Schulen und Betrieben thematisiert werden. „Exzessives Trinken ist kein Ausweg, um Anforderungen in Job oder Schule auszugleichen.“

In Nordrhein-Westfalen mussten 2009 sieben Prozent mehr Jugendliche volltrunken stationär aufgenommen werden als im Vorjahr - insgesamt 6578. In Bayern (5316 Fälle, plus 3,5 Prozent) und Baden- Württemberg (4028 Fälle, plus 1,7 Prozent) verlief die Entwicklung weniger dramatisch. In allen genannten Ländern bedeuteten die Zuwächse gleichzeitig auch Höchststände.

In Brandenburg waren im vergangenen Jahr 407 Kinder und Jugendliche betroffen, 7,1 Prozent weniger als 2008. In Sachsen ging die Zahl um 15,8 Prozent auf 928 zurück und in Sachsen-Anhalt waren es 704 Fälle (minus 12,2 Prozent). Die Bedeutung der Zahlen in diesem Ländern sei wegen des Geburtenrückgangs und der Abwanderung schwer zu beurteilen, sagte DAK-Pressesprecher Rüdiger Scharf. „Das heißt nicht, dass das Problem geringer geworden ist.“

Die DAK bezieht sich auf Zahlen der Statistischen Landesämter für die Gruppe der Zehn- bis 20-Jährigen (in Rheinland-Pfalz der Zehn- bis 19-Jährigen); es liegen noch nicht für alle Bundesländer Daten vor.

Insgesamt sind mehr Jungen als Mädchen betroffen; die Altersgruppe der 15- bis 20-Jährigen ist stärker vertreten als die jüngeren Kinder. Im Vergleich zu 2003 haben aber die Jüngeren und auch die Mädchen überproportional zugelegt. „Die aktuellen Zahlen sind alarmierend“, sagte der DAK-Landeschef in Rheinland-Pfalz, Michael Hübner. „Wir müssen das Thema dringend auf den Stundenplan setzen.“

Nach Scharfs Angaben wird die DAK ihre Plakataktion „bunt statt blau“ gegen das Komasaufen in den Schulen fortsetzen. 11 000 Schulen seien dazu angeschrieben worden.