Gespräch: Eugen Drewermann - „Kirchenkritiker ist kein Beruf“

Eugen Drewermann glaubt auch mit 70 Jahren, dass die katholische Kirche weder bereit noch fähig zu Reformen ist.

Paderborn. "Die katholische Kirche kann man nicht reformieren." Das ist ein typischer Satz von Eugen Drewermann, klar und unerbittlich.

Die römische Amtskirche überhöhe sich, bezeichne sich als heilig, aber: "Keine Kirche kann Gott sein. Gott ist unendlich viel größer als alle religiösen Organisationsformen", sagt er. Am Sonntag wird der Buchautor und Psychoanalytiker 70 Jahre alt und gibt sich unbeirrt unversöhnlich.

Nein, er sei nach seinem Austritt aus der katholischen Kirche vor fünf Jahren nicht der evangelischen beigetreten, sagt Drewermann. "Es ist nicht wichtig, ob katholisch oder evangelisch, sondern wie man sich dem Beispiel Jesu annähert. Bemühst du dich, ein Christ zu sein?" Das sei die Frage. Wie man sich organisiere, sei zweitrangig. Kirche könne nur Mittel zum Zweck sein. "Im Katholizismus sieht es aber aus wie Selbstzweck."

1991 entzog ihm der Paderborner Erzbischof Johannes Joachim Degenhardt die kirchliche Lehrerlaubnis, 1992 erteilte er Drewermann Predigtverbot und verbot ihm die Ausübung des Priesteramtes. Treibende Kraft soll der damalige Kurienkardinal Ratzinger und spätere Papst Benedikt XVI. gewesen sein.

Vor fünf Jahren hat sich Eugen Drewermann den Kirchenaustritt zum Geburtstag geschenkt. Es war ein Abschied von der Hoffnung, die Organisation von Innen heraus verändern zu können. Richtschnur seines Handelns sei bis heute die Frage: "Was würde Jesus tun?" Asketisch lebt er in Paderborn ohne Auto, ohne Telefon, Computer und Kühlschrank: "Ich vermeide, Dinge zu haben, die mich belasten und konzentriere mich auf das Wesentliche."

Und das sind seine 70 Bücher, seine zahlreichen Vorträge. Titel wie Querdenker oder Kirchenrebell findet Drewermann jedoch "samt und sonders unsinnig". Er trete für seine Überzeugungen ein, die Kritik an der katholischen Kirche stehe nicht im Vordergrund. "Kirchenkritiker ist kein Beruf. Es ist absoluter Nebeneffekt."

Als die katholische Kirche sich zuletzt durch die Aufdeckung zahlreicher Missbrauchsfälle lavierte, war er aber natürlich wieder ein gefragter Gesprächspartner. Er glaubt nicht, dass die Kirche viel aus den Missbrauchsfällen durch Priester gelernt hat: "Was sie will, ist die Freiheit von öffentlichen Skandalen."

Seine Kritik setzt an den Strukturen an. Man könne nicht einfach die Fehler der Kirche den Menschen anlasten, die Kirche selbst aber als heilig überhöhen. Zugleich stünde das ganze System vor dem Ende, wenn die Kirche erkennen würde, dass die Sexualmoral, das Papsttum, die Spaltung von Gott und Mensch und der Unfehlbarkeitsanspruch verkehrt seien.

Scharf geißelt Drewermann einen ausgeprägten mittelalterlichen Aberglauben in der katholischen Kirche, etwa die Lehre vom Teufel: "Das ist im Grunde keine Frage von Kirchenreformen, sondern eine für den Gesundheitsminister." Eine solche Kirche mache "Menschen bis zum Irrsinn krank". Unter Johannes Paul II. seien mehr als 30 000 Teufelsaustreibungen im Vatikan gestartet worden. "Und der jetzige Papst unterhält für rund 3000 Kleriker Sonderkurse zum Exorzismus. Unglaublich!"