Unglück: Im Garten lag plötzlich ein roter Zug
Bei Peine kracht ein mit 65 Fahrgästen besetzter Regionalzug gegen einen zuvor entgleisten Güterzug. 16 Menschen verletzt.
Peine. Rauschen, Quietschen - und dann ein unheimlicher, dumpfer Knall, gefolgt von Blitzen. "Ich habe erst gedacht, es ist ein Gewitter", sagt Michaela Schneider.
Der Schreck sitzt ihr noch immer in den Knochen: In ihrem Garten liegt Donnerstagmorgen ein riesiger roter Zug. Es ist die Regionalbahn von Hannover nach Braunschweig, die kurz vor Mitternacht in Peine mit einem Güterzug kollidiert war.
Der Lokführer des Personenzuges wurde schwer, 15 der 65 Passagiere leicht verletzt. Die Ursache für den Unfall war Donnerstag noch unklar.
"Das ganze Haus hat gewackelt, das kann man sich nicht vorstellen", erzählt Nachbarin Nadine Brandtner. Vor mehr als 30 Jahren wurden die schmucken Häuser gebaut.
Ihre liebevoll bepflanzten Gärten grenzen direkt an den Bahndamm. Eine Schaukel, ein Trampolin und ein Kletterhäuschen zeugen davon, dass hier am Nachmittag noch Kinder gespielt haben. Nur etwa 20 bis 25Meter liegen zwischen den Häusern und der vielbefahrenen Bahnstrecke.
"Die Eisenteile sind wie ein Stück Papier zerknickt. Unglaublich", sagte Pressesprecher Uwe Borchers von der Bundespolizei. Er steht mit einigen Kollegen auf einer nahen Brücke.
Eine vierspurige Straße führt dort über die Gleise. Wäre der Zug nur wenige Meter weiter entgleist, hätte er die Brückenpfeiler gerammt - kaum auszumalen, was dann passiert wäre.
Der Regionalexpress Rheine-Braunschweig war kurz vor der Brücke in den verunglückten Güterzug der Mittelweserbahn geprallt, der vom Harz ins Emsland unterwegs war.
Wie die Eisenbahn-Unfalluntersuchungsstelle in Bonn mitteilte, hatten Bahnarbeiter in Peine bei der Durchfahrt des Güterzuges Unregelmäßigkeiten bemerkt und den Lokführer zum Halten aufgefordert.
Noch während der Zug bremste, löste sich ein Teil der 50 Waggons, einige sprangen aus der Spur. Genau in diesem Moment näherte sich in Gegenrichtung der Regionalexpress, und es kam zur Kollision. Ein Fahrgast alarmierte daraufhin vom Zug aus Polizei und Feuerwehr. Sechs Minuten später trafen die Rettungskräfte am Unglücksort ein.
Die Unfallermittler gehen davon aus, dass zunächst ein Waggon des Güterzuges entgleiste und damit das Unglück auslöste. Die Untersuchungen konzentrieren sich auf mögliche Schäden an dem Waggon des privaten Bahnunternehmens.
Erst wenn die Ermittler ihre Arbeit abgeschlossen haben, kann die Deutsche Bahn mit den Aufräumarbeiten beginnen. Sowohl die Gleise als auch die Oberleitung wurden erheblich beschädigt.
Oben von der Straßenbrücke aus ist das ganze Chaos zu sehen. Sechs Waggons des mit Kies beladenen Güterzuges sind entgleist. Die Lok fuhr mit einigen Waggons noch einige hundert Meter weiter.
In Gegenrichtung stehen die Wagen des Regionalzugs. Er muss unmittelbar nach der Entgleisung des Güterwagens in die Unglücksstelle gefahren sein, anschließend kippte er um.
Zuvor rammte die Lok des Regionalzugs eine Lärmschutzwand und schob sie einige Meter vor sich her. Im Garten von Michaela Schneider blieben Lok und der erste Wagen des Zugs auf der Seite liegen. Ein blaues Holzhäuschen der Kinder, die in dem Mehrfamilienhaus leben, steht wie zusammengefaltet vor der Lok. Auch bei den Brandtners sieht der Garten wüst aus: Eine Eisenstange liegt dicht vorm Haus, Glasscherben liegen in einem kleinen Swimmingpool.
Bei einem weiteren Zugunglück in Schleswig-Holstein gab es Donnerstag einen Todesfall. Bei dem Zusammenstoß seines Autos mit einem Personenzug bei Meldorf kam der Fahrer ums Leben. Die 58 Zugreisenden kamen mit dem Schrecken davon.