Germany's Next Topmodel GNTM-Finale in Düsseldorf - viel Glitzer und doch kein Glanz

Düsseldorf · Ellie Goulding, Jonas Brothers, Channing Tatum und natürlich Tokio Hotel - bei “Germany’s next Topmodel” im Düsseldorfer Dome ging es um viele Stars, vor allem aber um Modelübermama Heidi Klum. Um guten Geschmack jedenfalls nicht. Nebenbei gewann Simone.

Kandidatinnen Sayana und Simone zusammen mit Heidi Klum beim GTNM-Finale 2019.

Foto: dpa/Willi Weber

Da dürften so einige müde Teenie-Mädchen an diesem Freitagmorgen in den Klassenzimmern gesessen haben. Falls sie denn nach dem Mammutfinale von “Germany’s next Topmodel” im Düsseldorfer Dome oder in heimischen Wohnzimmern zur Schule gingen, statt fürs Klima zu streiken - die Untersuchung der Schnittmenge von GNTM-Groupies und “Fridays for Future”-Demonstranten wäre mal ein hippes Thema für eine Bachelorarbeit zu soziologischen Gegenwartsdiagnosen. Ansonsten dürfte jeder Versuch, etwas Geistvolles aus der Show am Donnerstagabend herauszuholen, zum Scheitern verurteilt sein. Versuchen wir es dennoch.

Wer nicht alldonnerstäglich auf der Couch verfolgt hat, wie Heidi Klum zum 14. Mal ein Gesicht sucht, das aller Wahrscheinlichkeit nach wenigen Wochen in Vergessenheit geraten sein wird, dem ist am Donnerstagabend schon beim Einheizen zur Liveshow rasch klar, wer Zielgruppe ist. “Können alle Mädels jetzt mal kreischen?”, wird da zum Einpegeln des Sounds verlangt, bevor die Stimmung zu “Hey Baby” von DJ Ötzi zum Siedepunkt getrieben wird. Und dann schwebt sie ein von der Hallendecke: Modelübermama Heidi Klum.

Dass es hier nur nebenbei um Nachwuchsmodels und vor allem um die ganz große Klum-Show geht, war abzusehen. Nach all den Jahren hat die 45-Jährige ihre Sidekicks in der Jury gekickt und entscheidet nunmehr autokratisch über die vermeintlich große Zukunft ihrer “Määähdchen”. Vermutlich auch über den Titelsong der Sendung, den Tokio Hotel - die ansonsten kaum mehr präsente Band ihres 29 Jahre alten Verlobten Tom Kaulitz - beigesteuert hat. Auf deren Auftritt, gibt Heidi zu Beginn der Show bekannt, freue sie sich natürlich besonders. Auf Nachfrage von Travestiekünstlerin Olivia Jones im Publikum, wann sie denn nun heirate, antwortet die Klum: “Bald, bald, bald”. Und nach vielen geräuschvoll geschmatzten Bussis für viele Gäste auf der Bühne knutscht das glückliche Paar dann auch noch vor laufender Kamera wild herum. Boulevard-Magazin in Bewegtbildern und live - das kommt an.

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Aber auch abseits des Geklüngels mit Tokio Hotel wirkt das große GNTM-Finale bisweilen wie eine gut ausgeleuchtete Kaffeefahrt. Floristen dürfen in die Kamera erklären, wie schwierig das Binden ihrer Blumensträußchen ist, Designerinnen, wie schön ihre neue Brautkleiderkollektion ist - und dann bewirbt Strippertanzfilmstar Channing Tatum mit zig bemuskelten Oben-ohne-Tänzern seine neue Magic-Mike-Show in Berlin, deren Vorverkauf jüngst begonnen hat (nein, er selbst zieht sich nicht aus). Immerhin dient die Nackedeimeute noch für das letzte Fotoshooting der zwei Finalistinnen Sayana und Simone, die sich auf deren schwitzigen Händen räkeln - während Thomas Gottschalk, der zuvor den “Personality Award” der Staffel an Transgendermodel Tatjana verliehen hat, immer tiefer mit regloser Miene in das Polster von Heidis weißer Promicouch sinkt.

Als “Kinderfasching” hatte Gottschalk den “Neon-Walk” der zu Beginn noch drei “Määähdchen” - da war Cäcilia noch im Rennen - zur Musik der Jonas Brothers bezeichnet. Zumindest zeigt Heidi Klum Ansätze von Selbstironie, als sie dem früheren “Wetten, dass ..?”-Star Obsthäppchen anbietet: “Gummibärchen haben wir nicht - wir sind hier bei ,Germany’s next Topmodel’.” Es wäre lustig, wenn es nicht so wahr wäre. Viel wurde über Diversity gequiekt von der Alleinjurorin in dieser Staffel - am Ende taugen die aus der Norm fallenden Gesichter doch nur für den “Personality Award”, die dünne Blondine wird die Krone bekommen.

Aber davor kommt der geschmackliche Tiefpunkt, der vielen Fernsehzuschauern Fremdschämschmerzen von der Qualität eines Madonna-ESC-Auftritts beschert haben dürfte. Mindestens. Die Symbolhochzeit von Kandidatin Theresia live on stage. Dieser Moment hat alles, was Trash-TV braucht. Ein hübsches Blondchen und einen sehr viel älteren, silberhaarigen Herrn, die sich seufzend in den Armen liegen und ihrer endlosen Liebe versichern. Ballons, Blumen - und Ellie Goulding, die dazu singt; zumindest musikalisch ist das Niveau in Ordnung. Die Trauung vollzieht - wie könnte es anders sein: Heidi Klum. Und damit steht endgültig fest, um welche Sonne der GNTM-Kosmos zu kreisen hat. Selbst, wen die Jurorin für nicht würdig befunden hat, darf ihre Fänge zumindest bis zu diesem Donnerstagabend 15 Wochen lang nicht verlassen.

Nach fast drei Stunden klingelt es in den Ohren, als Heidi Klum zum x-ten Mal knatscht: “Nur eine kann Germany’s next Topmodel werden, nur eine kann ...” Und dann kommt immer der ganze Kladderadatsch mit Modelvertrag, Magazintitel, Kohle. Schließlich steht Simone inmitten von Konfettiregen und Pyrokanonen und knickt zum dutzendsten Mal an diesem Abend um - diesmal nicht infolge schwacher Knöchel, sondern vor Überwältigung. Ihre Familie und Freunde stürmen die Bühne, Tatums Nackttänzer tragen einen überdimensionalen 100.000-Euro-Scheck herein. Und Thomas Gottschalk, der sitzt weiter mit eingefrorenem Gesicht auf der weißen Couch. Um 23.15 Uhr ist alles vorbei. Zumindest für 2019: Heidi hatte kurz vor dem Finale angekündigt, noch sechs Jahre in die Verlängerung zu gehen. Die große Klum-Show geht 2020 also weiter. Oder dann die Heidi-Kaulitz-Show.