Gunter Gabriel - Ein Mann will wieder nach oben

Gunter Gabriel ist in seinem Leben oft gestrauchelt. Auf seinem neuen Album präsentiert er sich gereift.

Düsseldorf. Er beugt seinen massigen Körper nach vorne. Die Stimme wird noch sonorer. Die faltigen Hände schieben die grauen Haare aus der Stirn nach hinten.

"Das ist ein Meilenstein in meinem Leben." Gunter Gabriel, der in seinen 67 Jahren so oft gestrauchelt ist, richtet sich auf. "Das Album ist die Summe meines Lebens." Er nickt dazu und lacht sein kehliges Lachen.

Keine Frage: Sein neues Album "Sohn aus dem Volk" ist in seiner windschiefen Karriere ein Höhepunkt. Gabriel à la Johnny Cash. Geht das? Und ob.

"Hab’ mich im Chaos verloren, war oft genug ein Idiot, war manchmal blau wie der Ozean, manchmal sah ich rot." In "Ich geb den Rest für dich" gibt er zum Einstieg den geläuterten Gestrandeten, der eine neue Chance erbittet.

In der Tat war er mehr als einmal am Boden: Er hat zu viel getrunken, er hat seine Frau geschlagen, seine vier Ehen sind gescheitert, er hat Arbeitslose öffentlich beleidigt: "Ich war ein Arschloch", sagt er rückblickend. Sein ruinöser Lebenswandel beschleunigte den künstlerischen Abstieg, brachte ihm zudem einen Herzinfarkt und einen stattlichen Schuldenberg ein.

"500000 Piepen" habe die Steuer von ihm gewollt. Um sich davon zu befreien, ist er 2007 auf "Wohnzimmer-Tour" gegangen: Für 1000 Euro konnte man ihn für private Veranstaltungen anheuern; 450 Auftritte neben Schrankwänden und in Gartenlauben habe er absolviert.

Seine Anfang des Monats erschienene Biografie "Wer einmal tief im Keller saß" spiegelt diese Karriere - Gabriels Lebensbeichte. Jetzt legt er mit "Sohn aus dem Volk" nach.

Vor drei Jahren sei ihm auf einer Raststätte an der A3 ein ehemaliger "Bravo"-Chefredakteur über den Weg gelaufen: "Ich hab’ da mal eine Idee." Der Sänger sollte musikalisch von seinem eigenen Vermächtnis im Stile von "Komm’ unter meine Decke" ab- und an die "American Recordings" von Johnny Cash heranrücken.

Also hat er Songs anderer Künstler neu arrangiert. "Cash war ja immer mein Ding. Ich kannte ihn schließlich persönlich, habe noch kurz vor seinem Tod bei ihm im Studio gearbeitet", sagt er.

Die Plattenfirma Warner setzt auf Gabriel und hat die große PR-Maschine angeworfen. Aufwändig, auffallend. Und Gabriel fällt auf. Schwarzer Anzug, dunkles Hemd, eine feine Frisur zu einem Gesicht, das von gelebtem Leben zeugt: So hat man ihn noch nicht gesehen.

Er verhehlt nicht, dass er die Situation mag, erzählt fröhlich, dass "heftigster Andrang" überall herrsche, wo er Interviews gebe. Das Projekt weckt Interesse, auch an diesem Nachmittag im Düsseldorfer Design-Kaufhaus Stilwerk in Kö-Nähe.

"Ich könnte jetzt auch gern auf meinem Hausboot liegen und den Finger ins Wasser halten. Aber ich genieße es, für die CD zu werben. Die Neugier hatte ich zuletzt ja nicht so oft."

In sein Album ist er richtig vernarrt. "Ich hab’s nötig, weil es mich streichelt", sagt er. Mit The BossHoss hat er Bowies "Heroes" neu aufgenommen, mit Suzie Kerstgens singt er das ergreifende Duett "2 Fragen". Großartig seine Fassung des Ideal-Hits "Blaue Augen" und seine entspannte Folk-Variante von Peter Fox’ "Haus am See".

Erdig und karg instrumentiert ist Gabriel ein raunend-röchelnder Country-Purist. Durchaus möglich, dass die Karriere nun noch mal Fahrt aufnimmt. Gabriel: "Die CD ist eine weitere Stufe in meinem Leben, ein Schritt nach oben." Er sagt’s pathetisch. Und er meint es auch so.