Gunther Witte: „Tatort“-Vater ist Schimi-Fan
Vor 40 Jahren hat Gunther Witte die Krimi-Reihe erfunden – und Fernsehgeschichte geschrieben.
Düsseldorf. Jetzt darf Gunther Witte es ruhig zugeben: Schimanski ist sein liebster "Tatort"-Kommissar. 1970 hat Witte die Krimi-Reihe erfunden und danach 30 Jahre koordiniert - da musste er die Neutralität wahren.
Jetzt darf der 75-Jährige offen reden: "Ich mag die Figur einfach, auch wegen des Schauspielers Götz George. Dabei ist Schimanski keine Identifikationsfigur für mich, ich bin ganz anders. Identifizieren kann ich mich eher mit seinem Kollegen Thanner, weil er den Chaoten Schimanski im Griff hatte", verrät er bei einem Besuch in Düsseldorf.
Der unscheinbare Witte wirkt in seinem feinen Zwirn auch eher wie der Strippenzieher im Hintergrund, nicht wie ein Rebell, der in seiner Freizeit in verschmuddelten Parkas um die Häuser zieht.
Dabei hat er Mord und Totschlag über Deutschland gebracht und bekommt noch glänzende Augen, wenn er davon erzählt. Ein bisschen kann er es wohl auch nach all den Jahren nicht fassen, dass er mit seiner Idee die erfolgreichste Krimi-Reihe im deutschen Fernsehen ins Leben gerufen hat.
Vor 40 Jahren war die ARD in Bedrängnis. Die Sendeanstalt wollte sich nicht vom ZDF in Sachen Krimi in die Defensive drängen lassen. Der Sender feierte mit "Der Kommissar" Erfolge.
Witte: "Also ist mein Chef beim WDR, Günther Rohrbach, mit meinem Kollegen Peter Märthesheimer und mir zur ,Aufgabenverteilung’ in den Stadtwald gefahren."
Märthesheimer sollte eine Familienserie entwickeln ("Acht Stunden sind kein Tag"), Witte eine Krimi- Reihe. "Dabei kannte ich mich in diesem Bereich gar nicht aus." Doch sein Ehrgeiz war geweckt. Anregungen holte er sich aus dem Radio, das zu der Zeit das Krimi-Hörspiel "Es geschah in Berlin" sendete.
Das Konzept stand recht schnell und hatte drei Eckpfeiler: Der Kommissar soll im Mittelpunkt stehen, jede Folge muss regional geprägt sein und der Fall muss im Bereich des Möglichen liegen.
Dann kam das im nachhinein Unfassbare: Die Intendanten lehnten Wittes Idee ab. Erst nach der zweiten Vorstellung des Konzepts wurde die Idee realisiert. Fast 30 Jahre lang sollte der "Tatort" ihn nicht mehr loslassen, zunächst als Koordinator, später als Fernsehspielchef.
In drei Jahrzehnten im Auftrag der legendären Krimi-Reihe sammeln sich einige Erinnerungen. "Für eine Folge sind wir nach Kopenhagen geflogen, um Sängerin Gitte Haenning für das Projekt zu gewinnen. Und sie hat auch tatsächlich mitgemacht - in ,Kressin stoppt den Nordexpress’.
Das war schon etwas Besonderes." Oder was auch nicht jeder weiß: Bei der ersten Einspielung der bekannten Titelmelodie saß Udo Lindenberg am Schlagzeug.
Überdrüssig ist Gunther Witte seines "Kindes" nie geworden. Bis heute ist er einer der im Schnitt acht Millionen Zuschauer, die jeden Sonntag um 20.15 Uhr vor dem Fernseher hocken.
"Ich hoffe, dass es es niemals aufhört und der Tatort mich lange überleben wird." Bis dahin gilt bei ihm das eiserne Gesetz: Sonntagabend darf niemand anrufen. "Und wenn es doch klingelt, dann gehe ich nicht dran."