500 Millionen Euro Schaden Handel leidet unter dreisten Dieben
Auf rund 500 Millionen Euro wird der Schaden geschätzt, den Ladendiebe alleine in NRW verursachen. Die Unternehmen investieren viel Geld — vor allem in Sicherheitstechnik.
Düsseldorf. „Es wird immer schlimmer, die klauen wie die Raben.“ Die Kassiererin eines Mettmanner Discounters hat mit ihren Kunden schlechte Erfahrungen gemacht. Die Folge: Mitgebrachte Taschen müssen angehoben werden, Überwachungsspiegel an der Decke sind so ausgerichtet, dass der Einkaufswagen im Blick der Angestellten ist. Der Grund ist ganz einfach: Langfinger machen es dem Einzelhandel schwer.
Im vergangenen Jahr ließen Ladendiebe alleine in Nordrhein-Westfalen Waren im Wert von rund 500 Millionen Euro mitgehen, wie der Handelsverband NRW schätzt. Das ist eine Steigerung im Vergleich zu 2013 um 2,6 Prozent. Und für die Verluste kommen nicht Versicherer auf, sondern die ehrlichen Kunden. Die Ladenbesitzer berücksichtigen in ihren Preiskalkulationen die Verluste durch Diebstahl und machen ihre Produkte entsprechend teurer.
Ganz oben auf der Klauliste stehen vor allem kleine, teure Waren wie Parfüm, Kosmetik, Rasierklingen, Spirituosen und Tabakwaren. Natürlich haben es die Diebe auch auf hochwertige Bekleidung, Smartphones, Digital-Kameras, Computerspiele und vieles mehr abgesehen. Der Einzelhandel wiederum versucht, mit „intelligenter Warensicherung“ (schwer entfernbare Etiketten oder versteckte Systeme) und Mitarbeiterschulungen dagegenzuhalten. Es geht auch aufwendiger: Wer zum Beispiel über die Düsseldorfer Königsallee spaziert, entdeckt fast vor jedem Geschäft einen Wachmann.
„Am wichtigsten ist die Achtsamkeit der Mitarbeiter“, sagt Peter Achten, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes NRW. Die Zahl der Ladendiebstähle können eingedämmt, wenn die Beschäftigten zum Beispiel geschult sind, präparierte Einkaufstaschen zu erkennen. „Diese sind oft mit Aluminium versehen, damit die Warnsysteme überlistet werden können“, so Achten. Weitere Tricks möchte er im Gespräch mit unserer Zeitung nicht verraten.
Die Sicherung der Waren kostet viel Geld. Laut Handelsverband gaben die nordrhein-westfälischen Einzelhändler im Jahr 2013 rund 300 Millionen Euro für technische Aufrüstung, Warensicherung, Personalschulungen und Sicherheitspersonal aus.
Schulungen für Mitarbeiter werden vor allem von privaten Unternehmen angeboten. In den Kursen geht es unter anderem darum, zu erkennen, wie man die Tricks der Ladendiebe besser erkennt, aber auch rechtliche Fragen werden geklärt. Dabei sei das Problem eigentlich hausgemacht, sagt ein Unternehmer aus der Sicherheitsbranche, der anonym bleiben will. Denn in den vergangenen Jahren hätte der Einzelhandel vor allem seine Personaldichte heruntergeschraubt. Die verbleibenden Mitarbeiter müssten immer mehr Aufgaben übernehmen, so dass sie es gar nicht mehr leisten könnten, auch noch auf die Ware aufzupassen.
Diebstähle aus den Reihen der eigenen Angestellten seien dagegen prozentual gesehen gering. Dafür sei der wirtschaftliche Schaden, den sie verursachen, aufgrund des Insider-Wissens über die betrieblichen Abläufe umso höher. Dass Angestellte überhaupt ihren Arbeitgeber bestehlen, hat vielfältige Gründe. Teilweise seien es rechtschaffene Menschen, die von Kriminellen zu ihren Taten genötigt werden. Ein anderer Grund sei, „dass die Bindung zwischen Firmen und Angestellten so gering wie schon lange nicht mehr ist.“
Doch was dürfen Verkäufer eigentlich unternehmen, wenn sie einen Diebstahl beobachten? „Wenn ein Ladendieb auf frischer Tat ertappt wird, darf ihn jeder vorläufig festnehmen“, sagt Kriminalhauptkommissar Georg Schimmelpfennig vom Kommissariat Vorbeugung. Aber, ganz wichtig: „Man soll sich auf keinen Fall selbst in Gefahr bringen.“ Eine gute Personenbeschreibung sei schon sehr hilfreich. Außerdem müsse so schnell wie möglich die Polizei zur Hilfe gerufen werden. Die Beamten des Kommissariats Vorbeugung beraten in Ausnahmefällen vor Ort in Geschäften. Dann werden Fragen beantwortet und Tipps gegeben. Zum Beispiel laden unübersichtliche Geschäftseinrichtungen Diebe buchstäblich ein — und andere machen es den Langfingern schwer.
Diese theoretischen Kenntnisse nutzen allerdings wenig, wenn die Ladendiebe sogenannte „Klaurenner“ sind. Bei dieser Art des Diebstahls sind den Tätern die elektronischen Sicherungen egal. Sie verlassen sich nur auf ihre Schnelligkeit — egal wie laut die Warnsysteme hinter ihnen Alarm schlagen.
Eines liegt Achten besonders am Herzen: „Jeder Fall von Warendiebstahl muss zur Anzeige gebracht werden.“ Der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes NRW meint dies wörtlich. Dass Gerichte manche Fälle wegen Nichtigkeit nicht weiter verfolgen, kann er nicht akzeptieren. „Ich bin gegen jede Bagatellisierung von Warendiebstahl.“