Hausärzte dringend gesucht
Junge Mediziner wollen nur noch selten eine eigene Praxis allein betreiben. Etablierte Ärzte finden kaum Nachfolger.
Düsseldorf/Wuppertal. Seit mehr als zwei Jahren sucht Norbert Henkel einen Nachfolger. Eigentlich sprechen die Fakten für ihn: Der Doktor ist seit fast 30 Jahren für zahlreiche Duisburger der Hausarzt des Vertrauens. Rund 1600 Personen zählt sein Patientenstamm, was die Praxis lukrativ macht. Dennoch fällt es dem 63-Jährigen schwer, Interessenten für die Übernahme zu finden.
Mit dem Problem steht er in Deutschland nicht allein da. Nach neuesten Erhebungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) reißt die Lücke bei den Hausärzten in vielen Regionen Deutschlands immer weiter auf. Von 10 127 Ärzten, die jüngst ihre Ausbildung abschlossen, waren nur noch 949 Hausärzte. Vor allem in den ländlichen Regionen ist das schon spürbar. Doch auch in den Ballungsgebieten zeigen sich erste Symptome.
Um den Bedarf besser decken zu können, gibt es in der Ärzteplanung mittlerweile strenge Restriktionen. So dürfen bundesweit 3000 Hausärzte eine neue Praxis eröffnen — allerdings auf dem Land. In vielen großstädtischen Bezirken sind Neugründungen bei Hausärzten und Spezialisten verboten. Nur Praxisübernahmen sind erlaubt. Eigentlich müssten diese heiß begehrt sein, doch allein in Wuppertal gibt es 22 freie Hausarztsitze, in Solingen immerhin elf. Eine Unterversorgung gibt es laut Kassenärztlicher Vereinigung (KV) Nordrhein aber nicht.
„Für viele ist eine Übernahme mit Inventar einfach sehr teuer“, nennt Henkel eines der Motive, warum viele Ärzte lieber in die Klinik statt in die eigene Praxis gehen. Seine hat die KV auf deutlich mehr als 200 000 Euro geschätzt. „Zudem lassen sich manche Banken nicht mehr auf eine Finanzierung ein, weil sie sehen, dass gerade Ärzte mit kleinen Praxen nicht mehr so viel verdienen wie früher“, sagt eine KV-Sprecherin. Gerade Einzelpraxen seien für junge Ärzte oft mit hohen Belastungen verbunden. Das gelte vor allem für Medizinerinnen, die Praxis und Familie kaum vereinbaren könnten.
„Man ist dann natürlich Einzelkämpfer und muss für Ersatz sorgen, wenn man in den Urlaub will oder selbst krank ist“, bestätigt Henkel. Endlose Arbeitstage enstünden ihm dadurch aber nicht. „Mit einem eingespielten Team ist durchaus eine 40-Stunden-Woche drin.“ Der Mediziner-Nachwuchs sehe in den Kliniken aber auch bessere Aufstiegschancen und wer es bis zum Oberarzt gebracht habe, der wechsle nicht mehr, sagt Henkel.
Der KV ist das bewusst, deshalb gibt es mittlerweile Stipendien für Hausärzte und Fortbildungsreihen an einem festen Ort, um dort die Versorgung zu sichern. Zudem gebe es zwei Mal im Jahr eine Börse, auf der sich Ärzte vor dem Ruhestand und ihre potenziellen Nachfolger treffen können. Auch Henkel denkt über diese Option nach. Zwei Jahre gibt er sich bei der Nachfolger-Suche aber noch.