ICE-Unglück: „Auf dieses Zeichen haben wir lange gewartet“

Die Bahn entschuldigt sich 15 Jahre nach dem ICE-Unglück mit 101 Toten.

Eschede. So lange haben sie auf diesen Tag gewartet, nach 15 Jahren ist es soweit. Rund 100 Menschen sitzen auf Holzbänken vor dem grauen Torbogen — Überlebende, Angehörige, Helfer. Bahn-Chef Rüdiger Grube legt einen Kranz für die 101 Menschen nieder, die beim ICE-Unglück von Eschede ums Leben kamen.

Jetzt kommt Grube nach oben. Wenige Minuten später die lang ersehnten Sätze: „Wir bedauern die Geschehnisse in Eschede zutiefst. Wir können den Unfall nicht ungeschehen machen, aber wir wollen uns für das entstandene menschliche Leid bei Ihnen entschuldigen.“

Am 3. Juni 1998 wurde hier der Name eines bis dahin unbekannten Ortes in der Südheide zum Synonym für das schwerste Zugunglück in der Geschichte der Bundesrepublik. Bei Tempo 200 löste sich ein Radreifen und blieb stecken. ICE 884 „Wilhelm Conrad Röntgen“ aus München sollte Hamburg-Altona nie erreichen. Zerstörte Schienen, verstellte Weichen, eine Brücke stürzte ein, Waggons rasten in Trümmer — kreischend, reißend, brechend, splitternd. Dann Stille. Aus dem bloßen Defekt war auf wenigen Kilometern eine schreckliche Katastrophe geworden.

Und jetzt die Entschuldigung. „Auf dieses Zeichen der Menschlichkeit haben wir lange gewartet“, sagt Heinrich Löwen. Er ringt um Fassung, er hat Frau und Tochter bei dem Unglück verloren. Drei Wochen nach der Katastrophe gründete er die „Selbsthilfe Eschede“, in der die meisten Angehörigen und Überlebenden organisiert sind. „Das tut uns gut.“ Auch der damalige Bahn-Vorstandsvorsitzende Johannes Ludewig ist da, er hält sich im Hintergrund.

Gisela Angermann aus Göttingen hat ihren Sohn verloren. Klaus war 29, sie hat sein Foto in einem Schutzumschlag dabei. Lange hat sie der Bahn Überheblichkeit vorgeworfen. „Das Mitgefühl kommt absolut zu spät, dennoch hat die Bitte um Entschuldigung heute gut getan“, sagt die 75-Jährige mit dem weißen Haar. „Ich bin wütend hergekommen und gehe ein wenig versöhnter.“