„Ich fühle mich noch nicht alt“
Vor 34 Jahren holte Volker Schlöndorff den ersten deutschen Nachkriegs-Oscar. Am Montag wird der Regisseur 75 Jahre alt.
Potsdam. Mit der Verfilmung der „Blechtrommel“ von Günter Grass hat Volker Schlöndorff Filmgeschichte geschrieben. 1980 erhielt er für die bereits mit einer Goldenen Palme ausgezeichnete Kinoversion des Romans den ersten Oscar für einen deutschen Spielfilm seit Kriegsende. Am Montag wird die in Potsdam lebende Filmlegende 75 Jahre alt.
In Europa hatte Schlöndorff schon 1966 mit der Robert-Musil-Verfilmung „Der junge Törless“ ein vielbeachtetes Debüt geliefert. Der Terrorismus-Film „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ nach der gleichnamigen Erzählung seines Freundes Heinrich Böll brachte ihm 1975 auch an den Kinokassen Erfolg. Seither gehörte er mit Werner Herzog, Wim Wenders und anderen zu den Aushängeschildern des Neuen Deutschen Films — sein Spezialgebiet: anspruchsvolle und hochkarätig besetzte Literaturverfilmungen.
Lebensthema des gebürtigen Hessen ist vor allem die jüngste deutsche Geschichte. „Ich habe viele, viele Filme über den Nationalsozialismus gemacht, immer auf der Suche nach der Frage: Wie war das möglich?“, sagte er am Rande der Berlinale. „Ich habe die Nachkriegszeit ja noch gut in Erinnerung — die Verbohrtheit der Leute, dieses Gefühl des Rechthabens und null Schuldbewusstsein. Das hat mich sehr geprägt.“
1939 in Wiesbaden als Sohn eines Arztes geboren, verliert Schlöndorff mit fünf seine Mutter bei einem Küchenbrand. Mit 16 geht er zu einem Schüleraustausch nach Frankreich — und bleibt für zehn Jahre. Er beendet in Paris die Schule, studiert Politikwissenschaft und geht als Regieassistent bei den Vertretern der Nouvelle Vague in die Lehre.
Der beispiellose Erfolg mit der „Blechtrommel“ ermöglicht ihm später als einem der ganz wenigen Deutschen auch eine Karriere in Hollywood. In den USA entstehen Filme wie „Tod eines Handlungsreisenden“ (1984) und „Die Geschichte einer Dienerin“ (1989). Mit Max Frischs „Homo Faber“ meldet sich der Filmemacher 1991 in Deutschland zurück.
In seinen Memoiren „Licht, Schatten und Bewegung“ gab Schlöndorff 2008 einen Einblick in den „Abenteuerspielplatz“ seines Lebens. 20 Jahre lang war er mit der Schauspielerin und Filmemacherin Margarethe von Trotta verheiratet, die bei „Katharina Blum“ auch mit Regie führte. 1992 schloss er eine zweite Ehe mit der Filmcutterin Angelika Gruber, mit der er eine Tochter bekam.
In den 90er Jahren engagierte sich Schlöndorff als Manager des vom Ruin bedrohten Filmstudios Babelsberg. Inzwischen arbeiten dort Hollywoodstars wie George Clooney und Quentin Tarantino. „Ich kann mit gutem Gewissen sagen: Ohne meinen Einsatz von damals gäb’s das Studio gar nicht mehr. Ist doch auch nicht schlecht“, sagt er.
An Ruhestand mag Schlöndorff, der gern auch Opern und Theaterstücke inszeniert, trotz seiner 75 Jahre nicht denken. Klein und drahtig, mit hellwachen Augen hinter der leichten Brille, sucht er nach immer neuen Herausforderungen. Im Sommer kommt sein Psychodrama „Diplomatie“ um die drohende Zerstörung von Paris durch die Nazis in die Kinos. Zwei weitere Projekte laufen bereits. „Ich fühle mich noch nicht alt“, sagt er. „Der Ruhestand kommt schon von selbst, wenn er kommen muss.“