Interview mit Anke Engelke: Im Wartezimmer zur Frauenhölle
Seit zehn Jahren läuft Anke Engelkes „Ladykracher“. Ihre Rollen erscheinen nur auf den ersten Blick ziemlich schräg.
Berlin. Sie gilt als Deutschlands ulkigste Fernsehfrau: Anke Engelke. Vor zehn Jahren flimmerte zum ersten Mal ihre Sketchshow „Ladykracher“ über den Bildschirm, in der sie in unterschiedliche Rollen schlüpft — sei es die Ökotante Ruth, das Promiluder Onka oder die russische Millionärsgattin Ludmilla. Am Freitag, 22.10 Uhr, zeigt Sat.1 neue Folgen: Unter anderem rationalisiert Engelke darin als Unternehmensberaterin den Märchenwald und streicht Schneewittchen kurzerhand die sieben Zwerge.
Frau Engelke, vor zehn Jahren startete „Ladykracher“. Welche Figur ist Ihnen die liebste?
Anke Engelke: Eine einzelne herauszupicken, fällt mir ziemlich schwer, ich betrachte sie alle mehr in ihrer Gesamtheit — als wäre das Ganze so eine Art Wartezimmer zur Frauenhölle. Sind diese Charaktere nicht alle irgendwie Monster?
Schon. Andererseits kann man sich als weiblicher Zuschauer noch in den schrägsten Figuren selbst erkennen . . .
Engelke: Das ist verrückt, aber so geht es mir auch. Wenn ich gefragt werde, welche Figur mir am nächsten ist, kann ich nur sagen: Das ist alles irgendwie in mir drin, es ist also nicht nur so, dass ich Frauen um mich herum beobachte und mir ein paar Sachen merke, um die am Set wieder auszupacken. Ich glaube ja, dass jede Frau dieses Potenzial in sich hat: Wir können innerhalb einer Minute sowohl verständnisvoll als auch ungerecht zickig sein, gestresst und ängstlich, aber auch klar Schiff machen wollen.
Sind die Frauenfiguren eigentlich mit Ihnen gereift?
Engelke: Extrem! Ich habe mir neulich ein paar Sachen aus der Anfangszeit angeguckt, weil ich als Gastprofessorin an der Kölner Kunsthochschule für Medien mit Regiestudenten das Lustigsein übe. Der Reifungsprozess, der sich in der Zwischenzeit abgespielt hat, ist enorm. Als wir angefangen haben, waren wir mehr oder weniger frisch liiert oder Single. Später wurde geheiratet oder getrennt, man zog zusammen und bekam Kinder, und das wurde zum Thema. Es ist wie die Biografie nicht nur einer Frau, sondern einer Generation.
Es geht um die Leute, die Mitte der 60er Jahre geboren sind . . .
Engelke: Wenn ich an meine Sozialisierung in der Schule denke — ich glaube, wir waren nicht mehr so politisch, nicht mehr so verbissen und zwanghaft kritisch. Als ich in der achten, neunten, zehnten Klasse war, hatten die Großen ihre „Stoppt Strauß“-Buttons und sind demonstrieren gegangen, da bin ich dann zwar auch mal mit, aber mir fehlte so ein bisschen der Unterbau. Das war dann auch ein ganz guter Crashkurs im Schlaumeiersein, dass ich mir überlegen musste, warum ich da eigentlich mitlatsche.
In ein paar Jahren können Sie bei Ladykracher in den Sketchen dann ja die junge Großmutter spielen . . .
Engelke: Genau, dann bin ich die Oma. Das sind ja alles so spannende Fragen: Wie lange spielt man die scharfe Mutti, die scharfe Ehefrau, wie sehr kann man sich auseinandersetzen mit Krisen, die mit dem Alter kommen, wie fies kann man da werden und wie ehrlich? Ich kann mir vorstellen, die verteufelte Grausamkeit des Alterns verstärkt zu zeigen. Ich habe keine Angst, mich zum Doof zu machen, im Gegenteil.
Apropos Ängste: In den vergangenen Wochen haben Sie in Interviews mehrmals über Ihre 2004 gescheiterte Sendung „Anke Late Night“ gesprochen. Liegt Ihnen das echt noch so auf der Seele?
Engelke: Nein, aber ich werde immer danach gefragt. Mich interessiert das schon lange nicht mehr.
Sie wurden vorübergehend als Nachfolgerin von Thomas Gottschalk bei „Wetten, dass . .?“ gehandelt. Wurden Sie vom ZDF eigentlich gefragt?
Engelke: Nein, wurde ich nie.