„Joachim“ zieht mit Spitzengeschwindigkeiten weiter
Berlin/Offenbach (dpa) - Orkan und Schnee haben Deutschland zum Start ins vierte Adventswochenende heimgesucht. Sturmtief „Joachim“ riss am Freitag auf seinem Weg durchs Land vielerorts Bäume um. Heftiger Regen überflutete im Hunsrück Straßen.
Schnee stürzte Bayern, Thüringen und Teile Sachsen-Anhalts ins Winterchaos. Vor allem im Süden ließ der Sturm mit Stärke 12 die Muskeln spielen. In Bayern gab es gar Böen mit 170 Stundenkilometern. Die befürchtete Schneise der Verwüstung blieb aber aus. „Joachim ist kein Kyrill“, sagte Dorothea Paetzold vom Deutschen Wetterdienst (DWD).
Am Freitagabend zog „Joachim“ weiter Richtung Nordosten. Sein Zentrum lag zunächst nördlich von Berlin, wie der Deutsche Wetterdienst (DWD) in Offenbach berichtete. Stürmisch bleiben sollte es in der Nacht vor allem in Bayern und im Osten Deutschlands. In anderen Regionen schwächte sich der Sturm ab.
Besonders windig war es am Abend in Bayern: Die Meteorologen registrierten auf dem Wendelstein in Bayern Böen von 170 Kilometer pro Stunde. Auf dem Feldberg im Schwarzwald erreichten sie bis zu 155 Stundenkilometer, auf dem Brocken im Harz bis zu 133 Stundenkilometer. Im Flachland erreichte „Joachim“ Spitzenwerte um die 100 Stundenkilometer wie am Münchener Flughafen.
Bei Neuschnee und glatten Straßen waren die Staus im Sauer- und Siegerland bis zu 20 Kilometer lang. Auch in Thüringen häuften sich nach heftigem Schneefall Verkehrsprobleme. Bei Dutzenden Unfällen wurden mehrere Menschen wurden schwer verletzt. In der Südwestpfalz und in Baden-Württemberg stoppten umgestürzte Bäume den Bahnverkehr zeitweise. In Frankfurt am Main bremste „Joachim“ den Flugverkehr. An anderen Airports fielen Flüge aus. Vielen Schülern bescherte der Orkan dagegen „Sturmfrei“.
Wo es winterlich war, drohten nach Angaben eines DWD-Sprechers in der Nacht Schneeverwehungen. Am Abend warnte der Wetterdienst vor Sturmböen, Schneeverwehungen oder Niederschlägen in Teilen Bayerns, Baden-Württembergs, Thüringens, Sachsens und im Harz. Die Stärke des Orkans „Kyrill“, der im Januar 2007 verheerende Schäden angerichtet hatte, erreichte „Joachim“ nicht.
Wenn „Joachim“ durchgezogen ist, soll es stürmisch bleiben und gleichzeitig deutlich kälter werden. Das verursacht am Wochenende weiße Winterpracht: Vor allem im Süden und Südosten sinkt die Schneefallgrenze bis ins Flachland. Danach wird es aber wieder milder - für weiße Weihnachten stehen die Aussichten laut DWD eher schlecht.
Im Südwesten des Schwarzwaldes wurden Regenfälle von bis zu 40 Litern pro Quadratmeter erwartet - der Wetterdienst warnte unter anderem vor Erdrutschen. Bei Dauchingen entgleiste ein Zug, als er auf einen umgestürzten Baum fuhr. Verletzt wurde laut Polizei niemand. In Südthüringen passierten auf den winterlich weißen Straßen viele Unfälle. In Mönchsberg rutschte ein mit 15 Kindern besetzter Schulbus gegen eine Mauer. Kinder und Fahrer blieben unverletzt.
Für Rhein und Mosel gab es - nur wenige Wochen nach der November-Dürre - eine Hochwasserwarnung. In Rheinland-Pfalz standen wegen Starkregens Straßen unter Wasser. In Neustadt/Weinstraße drehte eine Windböe einen Geländewagen aufs Dach - die vier Insassen wurden laut Polizei schwer verletzt. Die Autobahn 61 war am Vormittag nahe Alzey zeitweise voll gesperrt, da Anhänger umgeweht worden waren. Ein Lastwagen drohte von der Brücke zu fallen, teilte die Polizei mit.
In Saarbrücken wurden Bäume entwurzelt und Straßen sowie Keller überflutet. Zeitweise stoppten auch hier die Züge. In Friedrichshafen am Bodensee, Chemnitz und Augsburg wurden die Weihnachtsmärkte wegen des Sturms vorsorglich geschlossen.
In Berlin fiel bei starkem Wind der erste Schnee. Unterdessen erreichte die Schlechtwetterfront Tschechien und die Slowakei machte manche Straßen unpassierbar. Am Freitag war zeitweise die Autobahn D8 in Richtung Dresden wegen Schneetreibens blockiert.
Bei einem Ausläufer des Sturmtiefs kam im Südosten Spaniens ein Rentner ums Leben. Im Baskenland wurden neun Menschen unter anderem von herabstürzenden Teilen verletzt.
In Frankreich tobte sich „Joachim“ schon in der Nacht aus. Im Westen des Landes fiel nach Regierungsangaben in rund 400 000 Haushalten der Strom aus, davon 100 000 in der Bretagne. In dem Sturm strandete vor der Südküste der Bretagne der unter Malta-Flagge fahrende Frachter „TK Bremen“. Die Behörden lösten Umweltalarm aus, da Öl auslief. Die Tanks sollten ausgepumpt werden. Der Frachter sei abgesehen von 220 Tonnen Treibstoff weitgehend leer.
Auch in Großbritannien kehrte am Freitag der Winter ein, einige Flüge fielen aus. Im schottischen Glasgow wurden sechs Zentimeter Schnee gemessen, in Nordirland vier Zentimeter. Auch im Südosten der Region um London schneite es bei Temperaturen um den Gefrierpunkt.