Kamele vor dem Alpenpanorama
Seeg (dpa) - Christine Sieber ist eine große Tierfreundin. Dass sie einmal ihren Beruf als Bürokauffrau an den Nagel hängen würde, um sich ganz ihren Tieren zu widmen, hätte sie vor ein paar Jahren noch nicht für möglich gehalten.
„Das war alles auch gar nicht so geplant. Aber heute könnte ich es mir nicht mehr anders vorstellen. Es ist ein Traum, mit Tieren zu arbeiten“, sagt die 39-Jährige und streichelt Dabian über den Nasenrücken. Dabian ist ein Kamel und stammt aus Dubai. Bei Sieber im derzeit verschneiten Allgäu fühlt sich das Höckertier trotzdem wohl. Das liegt nicht zuletzt an der Gesellschaft: 30 Wüstentiere stehen auf der Allgäuer Kamelfarm in Seeg.
Sobald Sieber den großzügigen Stall betritt, recken die mehr als zwei Meter großen Tiere ihre Hälse in die Höhe. „Kamele sind so tolle Tiere. Intelligent, stolz, sozial und liebenswürdig. Leider verbinden viele Leute damit nur eine Touristen-Attraktion im Urlaub.“ Das Besondere an Kamelen sei, dass sie ihren eigenen Charakter haben, sagt die Expertin. „Kamele sind eigentlich riesengroße Schmusetiere. Aber sie sind auch eigenwillig, dominant und sehr stark. Wenn man sie falsch behandelt, kann ihr Verhalten umschlagen.“
Ihr Interesse für Kamele hat schon vor etwa 20 Jahren begonnen, erzählt Sieber. „Ich hatte damals ein eigenes Pferd. Und als Reiterin haben mich diese Tiere einfach fasziniert.“ Ihr erstes Kamel kaufte sie Mitte der 90er Jahre einem Zirkus ab. Danach kamen immer mehr dazu. Schlagartig verändert hat sich das Leben der Allgäuerin, als sie vor etwa zehn Jahren auf Einladung des Präsidenten der Vereinigten Arabischen Emirate an einem Kamelrennen in der Wüste teilnahm. Ausgerechnet sie als Frau hat das Rennen damals gewonnen, was ihr die Hochachtung des Präsidenten und der anwesenden Scheichs einbrachte. Da das Ereignis auch in Siebers Heimat für Schlagzeilen sorgte, stand das Telefon nicht mehr still. „Plötzlich kamen viele Anfragen von Menschen, die bei uns auf Kamelen reiten wollten.“
Zunächst bot Sieber im kleinen Rahmen geführte Touren an. Einheimische und Urlauber hätten jedoch immer größeres Interesse gezeigt. „Irgendwann war ich fast jeden Tag mit Gästen unterwegs.“ Inzwischen lebt Sieber mit ihrem Mann und den beiden Söhnen auf einer richtigen Farm. Außer Kamelen hält die Familie noch Lamas, Pferde, Esel, Yaks, Schafe, Ziegen, Affen, Papageien, Reptilien, Meerschweinchen, Hasen, Katzen und einen Hund. Da ihr Mann noch seinem Beruf nachgeht, hat die zweifache Mutter mit der Pflege und dem Training der Tiere an sieben Tagen in der Woche viel zu tun.
Für Besucher ist die Farm von April bis Oktober geöffnet. Ausritte mit Kamelen werden jedoch das ganze Jahr über angeboten - vorausgesetzt, die Witterung passt. „Wenn es glitschig oder eisig ist, gehen wir mit den Kamelen nicht raus. Sie haben sehr breite und weiche Füße, wie flache Teller. Dadurch rutschen sie leicht aus und können sich verletzen.“ Griffiger Tiefschnee sei dagegen kein Problem. Die Kälte im Allgäuer Winter mache den Tieren ebenfalls nichts aus, sagt Sieber. Schließlich seien auch die Nächte in der Wüste sehr kalt. „Kamele sind Anpassungswunder. Sie sind von daheim Temperaturen zwischen minus 40 und plus 40 Grad gewöhnt. Unsere gemäßigten Temperaturen sind für sie angenehm.“
Obwohl sich die Einheimischen inzwischen daran gewöhnt haben, dass sie das ganze Jahr über bei Spaziergängen auf Kamel-Karawanen treffen können, ist die Farm für den Ort etwas Besonderes. „Im Allgäu gibt es normalerweise Kühe oder Pferde. Kamele sind hier natürlich etwas ganz Außergewöhnliches“, sagt Manfred Rinderle, Bürgermeister von Seeg. Er sieht die Kamelfarm daher als große Bereicherung für die 2800-Seelen-Gemeinde. „Sie hebt uns von anderen Orten ab und ist ein Anziehungspunkt für Familien.“
Mit ihrer Leidenschaft hat sich Sieber inzwischen auch schon über das Allgäu hinaus einen Namen gemacht. Journalisten aus verschiedenen Ländern berichteten bereits über die Kamelfarm, die durch die Nähe zum berühmten Schloss Neuschwanstein besonderes Interesse weckt. Wie Sieber sagt, waren unter anderem das japanische und argentinische Fernsehen bei ihr.