Karls Knochen sind echt — vermutlich
Erstmals durften zwei Forscher öffentlich über die Gebeine des Frankenkönigs aus dem Aachener Dom berichten.
Aachen. 1988. Es ist eine Geheimaktion. Eingeweiht sind das Aachener Domkapitel, die Domschatzkammer und das Rheinische Amt für Bodendenkmalpflege. Der Schrein Karls des Großen soll geöffnet werden, erstmals seit 1949. Es ist absolute Vertraulichkeit vereinbart. Erst 26 Jahre später, kurz nach dem 1200. Todestag Karls des Großen, dürfen die Wissenschaftler erstmals öffentlich über die Gebeine berichten.
Man habe damals eine Sensationsberichterstattung verhindern wollen, sagte der Anthropologe Joachim Schleifring, der den Inhalt damals dokumentierte. Er beschrieb die Szene, dazu historische Fotos, die zum ersten Mal öffentlich gezeigt wurden: Als die Holzlade mit den Gebeinen aufging, fährt den Umstehenden ein stechender Geruch in die Nase, vermutlich Formaldehyd. „Wir glauben, dass die Knochen damit imprägniert worden sind“, sagte Schleifring.
Durch diesen Versuch der Konservierung sei von der DNA an der Knochen-Oberfläche vermutlich kaum mehr etwas übrig, sagte der Schweizer Professor Frank Rühli, der später Schädel- und Schienbeinknochen untersuchte. Für Rühli und Schleifring ergibt sich folgendes Bild vom Frankenherrscher: Karl war mit 1,84 Meter und „grob berechneten“ 78 Kilo ein großer, schlanker Mann, der die meisten Männer seiner Zeit fast um einen Kopf überragte.
94 Knochen und Knochenfragmente im Karlsschrein hat Schleifring dokumentiert. Die alten Fotos zeigen die Knochen auf einem roten Tuch fein säuberlich aufgereiht, mit Band oder Goldfäden fixiert. Ansonsten wären die Knochen bei Prozessionen durcheinandergefallen, sagte Schleifring. „Alle Knochen in dem Schrein sind von einem einzigen Menschen, einem Mann“, sagte Schleifring.
Auch wenn der endgültige Beweis fehlt, die Wissenschaftler gehen davon aus, dass Karls Knochen echt sind. „Aufgrund der Ergebnisse von 1988 bis jetzt können wir sagen, dass es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um das Skelett von Karl dem Großen handelt“, sagte Rühli. Die große Masse der Knochen sei vorhanden, aber es fehlten auch Teile. Es seien wohl Teile als Reliquien weggegeben worden. So habe die französische Kaiserin Josephine um einen Armknochen für Napoléon gebeten.