Kölner Krater: Grundwasser war von vernichtender Kraft
Die Staatsanwaltschaft will die Unglücksursache mit Hilfe von mehreren Gutachtern klären lassen.
Köln. Der Einsturz des Stadtarchivs in Köln ist mit größter Wahrscheinlichkeit durch einen Grundwassereinbruch verursacht worden. Dies berichtet der "Kölner Stadt-Anzeiger" unter Berufung auf Ermittlerkreise. "Es läuft alles darauf hinaus, dass Grundwasser das Problem war", so zitiert die Zeitung einen an den Ermittlungen Beteiligten zum derzeitigen Stand.
Was genau an der U-Bahn-Baustelle geschehen sei, will die Staatsanwaltschaft durch mehrere Gutachter klären lassen. So lasse sich noch nicht sagen, ob das Wasser an der Seite durch die mehr als einen Meter dicke Betonwand eingedrungen ist oder durch den noch nicht befestigten Boden. Es müsse auch geprüft werden, welche Auswirkungen der steigende Pegelstand des Rheins gehabt haben könnte.
150 Kubikmeter Wasser strömen Stunde für Stunde in die U-Bahn-Baugrube unter der Severinstraße. Pumpen mit einer Gesamtleistung von bis zu 1000Kubikmetern pro Stunde arbeiten dagegen an. Die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) dementieren nicht, dass es ein Problem mit dem Grundwasser an der Unglücksbaustelle unter dem eingestürzten Archiv gab.
Sie weisen lediglich Gerüchte zurück, wonach das Grundwasser während der Arbeiten nicht habe ausreichend gesenkt werden können. Die Wasserhaltung liege in der Verantwortung der Auftragsfirmen. Mit dem Hinweis auf das laufende Verfahren lehnen die KVB Auskünfte darüber ab, warum der Baugrund nicht zum Schutz gegen Grundwasser vereist wurde.
Eine mögliche Erklärung für einen Einsturz solchen Ausmaßes bietet der Direktor des Geologischen Dienstes NRW in Krefeld: Ursache für das Unglück könnte ein sogenannter Grundbruch sein, vermutet Prof. Josef Klostermann. "Es ist möglich, dass in Köln die Wasserdurchlässigkeit des Bodens falsch eingeschätzt wurde", so der Geologe.
Zu beiden Seiten des U-Bahn-Schachtes wurden Schlitzwände bis zu einer Tiefe von 45 Metern gebaut, die auch das Grundwasser zurückhalten. Nach unten jedoch ist die Baustelle offen. Die Schlitzwände reichen bis in die sogenannten tertiären Sande, die feiner und daher nicht so wasserdurchlässig sind wie die oberen groben und mit Kies durchsetzten Schichten.
Diese untere Schicht sollte eigentlich verhindern, dass Grundwasser in die Baugrube eindringt. Das Grundwasser drücke jedoch von außen auf die Schlitzwände und könnte sich seinen Weg von unten in die Baugrube gesucht haben, so Klostermann. Der immense Druck schiebe das Erdreich unter die Schlitzwand hindurch in die Baugrube.
Das Grundwasser im Boden könne laut dem Bochumer Statikprofessor Günther Meschke wie ein Gleitfilm wirken. "Das Material ist dann wie ein Fluss in Bewegung." Verstärkt worden sei der Druck vermutlich durch das Gewicht des vierstöckigen Archivgebäudes, das viel schwerer sei als ein gewöhnliches Wohnhaus.
Gegenüber der "Kölnischen Rundschau" verriet ein Experte für Baumesstechnik, dass in Fachkreisen darüber gegrübelt wird, warum nicht Sensoren in den Kellern bedrohter Bauten wie des Archivs aufgebaut wurden. Diese erfassen Setzungsbewegungen und können als Frühwarnsystem dienen.
´Der Vizepräsident der Ingenieurkammer NRW, Heinrich Bökamp, kritisierte, die Stadt habe die schon früher am Archiv aufgetretenen Risse nicht auf ihre Ursache hin untersucht. "Da hätte man mehr tun müssen, und dann wäre man irgendwann drauf gekommen, da tut sich was in der Erde. Und wenn man das erkannt hätte, dann wäre der Unfall vermieden worden."