Komasaufen unter Jugendlichen nimmt zu
Die Zahlen steigen. Experten fordern eine Ächtung des Alkohols und mehr Prävention.
Wiesbaden. Ein Zwölfjähriger will bei einem Treffen mit älteren Freunden mithalten, kippt Wodka auf ex und fällt kurz darauf um. Solche „Drogen-Unfälle“ aus Unerfahrenheit, Neugier und Gruppendruck stecken nach Darstellung von Medizinern hinter vielen Alkoholvergiftungen, die sie in den Kliniken bei Kindern und Jugendlichen behandeln.
Die Zahl der 10- bis 19-Jährigen, die so viel Alkohol getrunken haben, dass sie stationär ins Krankenhaus müssen, steigt deutschlandweit wieder: 26 349 waren es 2011, 354 mehr als 2010 und 16 835 mehr als zu Beginn der Erhebung des Statistischen Bundesamts im Jahr 2000. Bezogen auf 100 000 Einwohner nimmt die Zahl seit Beginn der Statistik sogar ständig zu. Fast zwei Drittel (62 Prozent) der Patienten sind Jungen und junge Männer.
„Alkohol ist das Suchtmittel Nummer eins — bei Jung und Alt“, sagt Julia Jakob von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Das belegt auch die Statistik: Psychische und Verhaltensstörungen infolge von Alkohol inklusive akuter Vergiftungen waren 2011 der zweithäufigste Grund für einen stationären Krankenhausaufenthalt.
Alkoholmissbrauch sei ein „dramatisches Problem“ und über die ganze Bevölkerung verteilt, sagt der Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen, Raphael Gaßmann. „Es wird aber immer nur über die Jugendlichen geredet“, kritisiert er. „Wenn Jugendliche in einem lebensbedrohlichen Zustand auf die Station kommen, sind dafür ausschließlich Erwachsene verantwortlich.“ Dies beginne mit der Produktion des Alkohols und der auf Jugendliche abgestimmten Werbung und gehe bis zur Verfügbarkeit und den Preisen. „Eine Flasche harter Wodka ist für weniger als zehn Euro zu haben. Und das ist für Zehnjährige, die so viel Taschengeld haben, eine lebensgefährliche Droge.“
Gaßmann fordert einen Imagewechsel ähnlich wie beim Rauchen. „Rauchen ist teuer, lästig und gesundheitsschädlich bis tödlich — das hat das ganze Land begriffen, selbst die Raucher.“
Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Mechthild Dyckmans (FDP), betont: „Wir müssen die Risikogruppen der jungen Mädchen bis 15 Jahren und der jungen Männer zwischen 15 und 20 Jahren stärker in den Blick nehmen.“ „Die Einhaltung des Jugendschutzes durch den Einzelhandel und die Tankstellen muss sichergestellt sowie von den Kommunen stärker kontrolliert werden“, sagt Dyckmans auch. Vor allem bei kleinen Läden sehen Fachleute Schwachstellen.
Dyckmans appelliert aber auch an die Eltern: „Sie dürfen nicht wegschauen. Durch Gespräche, klare Regeln und ihre Vorbildfunktion kann viel erreicht werden.“