Kosmetikbranche setzt auf zarte Männerhaut
Düsseldorf(dpa) - Kernseife, kaltes Wasser und nach der täglichen Rasur ein süßliches Aftershave - über solche Basiskosmetik mit 50er-Jahre-Charme sind viele deutsche Männer schon lange hinaus.
Sie greifen zur Gesichtscreme und Körpermilch, gar nicht wenige zu Peelings für glatte Haut und Augencreme gegen Falten. Alteingesessene Herrenfriseure haben längst das Augenbrauenzupfen im Programm, und mancher Mann nutzt sogar den Kajal-Stift seiner Frau.
Mit zunehmendem Körperbewusstsein des Mannes wächst in Deutschland der Markt für Herrenkosmetik - wenn auch langsam und in Wellen. „Ich bin optimistisch, dass hier noch Luft im Markt ist“, sagt der Geschäftsführer des VKE-Kosmetikverbandes, Martin Ruppmann. „Die vergangenen Jahre waren mit Steigerungen von drei bis vier Prozent durchaus positiv.“
Die 60 gehobenen Kosmetikunternehmen im Verband - darunter große Namen wie L'Oréal, Chanel oder Christian Dior - kommen jährlich auf rund zwei Milliarden Euro Umsatz. Davon entfällt bereits rund ein Viertel auf Herrenkosmetik. Rechnet man den Verkauf in Supermärkten und nicht verbandsgebundenen Kosmetikketten dazu, liegt das gesamte Marktvolumen für Herrenprodukte in Deutschland nach Schätzungen bei rund 1,5 Milliarden Euro.
Ein erheblicher Anteil entfällt dabei auf Shampoos. Aber auch bei Spitzen- und Luxusprodukten tut sich etwas. Potenzial sieht der Branchenverband zum Beispiel bei sogenannten „Power-Treatments“ - zeitlich gestrafften Schönheitsbehandlungen. Dabei geht es nicht nur um Eitelkeit. „Für viele ist Gesichtspflege schon Routine, etwa um im Job Power auszustrahlen“, meint Ruppmann.
Denn „Wettbewerb am Arbeitsplatz“ ist nach Erkenntnissen des deutschen Herrenkosmetik-Marktführers Beiersdorf bei Männern mit Abstand wichtigstes Motiv für den Griff zu Pflegeprodukten - noch deutlich vor dem Wunsch, dem Partner zu gefallen. „Der Gesichtspflegemarkt für Männer wächst, und es gibt noch viel Potenzial für starke Innovationen“, sagt eine Beiersdorf-Sprecherin.
Zwei Drittel der Männer nutzen nach einer repräsentativen Umfrage von TNS Infratest aus dem Jahr 2014 regelmäßig Aftershaves. Jeder zweite Mann benutzt mindestens einmal in der Woche Gesichtscremes, und immerhin rund ein Zehntel der Befragten möchten auf Peelings und Augencremes nicht mehr verzichten.
Während in Deutschland der Markt langsam wächst, erhofft sich die Branche starke Impulse aus dem Ausland - aus China und Schwellenländern wie Brasilien, in denen sich ein bürgerlicher Mittelstand mit entsprechenden Pflegebedürfnissen gerade formiert.
Weltweit liegt der jährliche Gesamtumsatz mit Männer-Pflegeprodukten bei umgerechnet rund 32 Milliarden Euro - mit einem jährlichen Wachstum von sieben Prozent. China wird sogar ein Wachstum um 40 Prozent zugetraut, in Brasilien wächst der Markt seit Jahren zweistellig. Den größten Zuwachs verbuchen dabei Deodorants.
Der Essener Spezialchemiekonzern Evonik, der praktisch die gesamte Kosmetikbranche mit Substanzen und Vorprodukten für Salben, Cremes und Shampoos beliefert, hat vor knapp zwei Jahren in Essen eigens ein Forschungslabor mit 90 Mitarbeitern für die global sehr unterschiedlichen Kosmetikprodukte eröffnet.
Im dem Labor testen die Wissenschaftler Pflegemittel für die Haut- und Haartypen der ganzen Welt. Dass Afrikaner meist eher trockene Haut haben und Asiaten gelegentlich mit öliger Haut kämpfen, ist den Entwicklern kein Geheimnis. An den Produkttests beteiligen sich die Evonik-Mitarbeiter bis hin zum Chef der Kosmetikwirkstoffforschung Mike Farwick eifrig: Der Manager testete zuletzt wochenlang Gesichtscreme gegen seine Falten.