Kriminalistik: Fälscher werden immer besser
Für die Urkundenprüfer des Landeskriminalamts ist die Arbeit schwieriger geworden.
Düsseldorf. Doch nicht mit einem Tintenstrahldrucker! Damit darf man Andreas Liesting wirklich nicht kommen. Der Kriminalhauptkommissar zieht die Augenbrauen hoch. Vor sich hat der 46-Jährige einen niederländischen Pass. Mit bloßem Auge sieht das Dokument echt aus, das Schriftbild scheint gestochen scharf — wie beim Original, das zum Vergleich daneben liegt. Aber die 80-fache Vergrößerung im Stereo-Mikroskop zeigt, dass die Buchstaben an den Rändern doch ein bisschen ausfransen. Ein Tintenstrahler! Kein echter Pass wird so hergestellt. Dieser Fall ist schnell abgehakt.
Liesting ist Sachverständiger und Gutachter des Landeskriminalamts in Nordrhein-Westfalen (LKA). Einer von insgesamt drei Urkundenprüfern des LKA. Vor Gericht sind ihre Expertisen unumstößliche Beweise. „Dass sich eines unserer Gutachten als falsch erwiesen hat, habe ich noch nicht erlebt“, sagt er. Drei bis vier Jahre dauert die Zusatzausbildung unter den Fittichen des Bundeskriminalamts. Seit acht Jahren begutachtet er nun Urkunden — um die 200 im Jahr. 80 Prozent davon sind falsch.
Alle Fälschungen wandern ins Archiv. So etwa 8000 Stück haben sich in dem Raum angesammelt. In den Schränken ist in einer Schublade Platz für die Fälschungen aus bis zu zehn Ländern. Beim Irak ist es umgekehrt. Das Land braucht sogar mehr als drei Schubladen. „Das Problem ist: Wir wissen oft gar nicht, was da zum Beispiel während der Kriegswirren alles ausgestellt wurde.“ Aber nur selten müssen die Urkundenprüfer ein Dokument unbewertet lassen, weil seine Echtheit nicht zu klären ist.
Noch wichtiger als die Sammlung der Fälschungen ist die der echten Exemplare mit ihren geheimen Sicherheitsmerkmalen. Weltweit tauschen und hinterlegen die Behörden echte Musterexemplare von Pässen und Personalausweisen, um Vergleichsmuster zu haben — sogar aus Nordkorea. „Wenn das Herstellungsverfahren ein anderes ist als beim Original, ist das ein Fakt“, sagt Liesting. Zwar gibt es auch bei den Originalen schon mal Abweichungen, etwa Druckfehler, aber selbst dies wird den Behörden international mitgeteilt.
Besonders argwöhnisch nimmt Liesting die Seite mit dem Bild des vermeintlichen Passinhabers unter die Lupe: „Meistens wird nur diese Seite attackiert, und der Rest ist echt.“
Sind handgeschriebene Dokumente aus dem afrikanischen Raum überschrieben, kommen sie in die spektralselektive Analyse: Der ursprüngliche Text wird oft sichtbar, wenn die Schrift darüber weggefiltert werden kann.
Schwarzlicht bringt geheime UV-Merkmale zum Leuchten. Die europäischen Pässe seien die fälschungssichersten und würden auch entsprechend selten attackiert, sagt Liesting. „Und wenn sie doch attackiert werden, kann man die Fälschungen gut erkennen.“
Ein wenig ähnelt seine Arbeit den Bilderrätseln, die er als Kind in den Illustrierten löste: „Original und Fälschung. Finden sie die neun Fehler.“ Wem der Pass gehört, welches Verbrechen er möglicherweise gerade aufklärt, will der Hauptkommissar nicht wissen. „Wir sind objektiv. Es ist besser, wenn wir über den Sachverhalt nichts wissen. Ich will nur wissen, was mit dem Dokument gemacht wurde.“
Die Fälschungen werden immer besser, berichtet der Experte. „Das liegt daran, dass Computer, Scanner, Drucker und Bildbearbeitungsprogramme immer besser und billiger werden.“ Über manchen Exemplaren brüten mehrere Urkundenprüfer stundenlang, bis sie sich sicher sind. „Es gibt Fälschungen, die sind so hochwertig, dass wir uns fragen, wie der Fälscher das gemacht hat. Da sind Profis am Werk.“