Lagerfeld umarmt die Welt - Saint Laurent zeigt Grunge
Paris (dpa) - Ist die Luft raus? Chanel demonstriert bei den Pariser Schauen mit einer Weltkugel auf dem Laufsteg die Macht einer Marke. Hedi Slimane dekonstruiert währenddessen Saint Laurent.
Kurz vor Ende der Schauen für die Kollektionen Herbst/Winter 2013/14 in Paris ist von der knisternden Aufbruchstimmung der vergangenen Saison nicht mehr viel zu spüren. Im Herbst hatten die Debüts von Raf Simons für Dior und Hedi Slimane für Saint Laurent beim Prêt-à-Porter der Damenmode alle in Atem gehalten. Doch nun fehlt irgendwie die „Lokomotive“.
Alexander Wangs Startkollektion bei Balenciaga am Donnerstag (28.2.) wurde gelobt, war jedoch nicht spektakulär. Und Hedi Slimanes Entwürfe für Saint Laurent am Montagabend wirkten diesmal in ihrer Rock-Girl-Attitüde etwas deplatziert für ein elegantes Haus. Trotz des zweifelsohne coolen Looks, den der 45-Jährige auf den Laufsteg brachte.
Mit fedrig fliegenden Haarsträhnen und ungeschminkt wirkenden Gesichtern erinnerten die Models an die Schauspielerin Jane Birkin mit ihrem androgynen Reiz in den 1970er Jahren. Sie trugen Miniröcke aus Leder, Bikerjacken, Glitzerstrümpfe und übergroße Holzfällerhemden in Rot oder Blaugrau-Tönen. Oder karierte Outdoor-Jacken zu nachlässig gestylten Spitzenkleidern. Slimane schien Saint Laurent in die Ära des Grunge überführen zu wollen. Allerdings: Hier und da mixte er einige schneidermäßige Elemente darunter, etwa in Form von klassischen Mänteln. Kleidchen mit Blütenmuster, weißem Kragen und Lackschleife fügten der Kollektion einen Hauch von Bourgeoisie hinzu. Sie erinnerten an Yves Saint Laurents Entwürfe aus den 1960er Jahren.
Bei Chanel thronte am Dienstag eine schwarze Weltkugel voll goldener Leuchtpunkte in der Mitte des Laufstegs. Die Erde bei Nacht, aus der Luft gesehen. Fähnchen auf dem Globus zeigten die weltweit verstreuten Chanel-Boutiquen an und demonstrierten die modische Macht von Designer Karl Lagerfeld. Wie eine Armee der Eleganz, bereit den Weltraum zu erobern, traten die Models heraus. Ihre ausladenden Mäntel, Kostüme und Röcke glitzerten wie die Milchstraße und waren dabei weitgehend in Schwarz oder Nachtblau gehalten. Stiefel mit klobigen Absätzen, schwarze Ledergamaschen und Astronautenkappen in Leuchtfarben aus Fell ließen die Outfits wie glamouröse Uniformen erscheinen. Jacken waren von den überbreiten runden Schultern aus gearbeitet und fielen locker herab, die knielangen Röcke schwangen in Glockenform.
Die Designer Jörg Ehrlich und Otto Drögsler überzeugten in der Schau der deutschen Marke Odeeh mit schönen Farbharmonien. Ornamentale Muster in Dunkelgrün und tiefem Blau, Braun oder goldig schimmerndem Orange wirkten auf flächigen Ensembles wie einer Kombination aus Tunika und Hose besonders eindrucksvoll. Erlesen waren die Qualitäten. Für einen Mantel hatten die Modemacher Wolle auf Tüll sticken lassen, ein leichtes und doch wärmendes Teil fürs tägliche Leben. „Wir sind keine Marke für Abendmode, sondern für den Alltag“, sagte Jörg Ehrlich. Die Inspiration für ihre Farben hätten Drögsler und er aus alten Kelims sowie Pop Art gezogen.
Wolfgang Joop zog es mit den Entwürfen seiner Marke Wunderkind in die Natur. Steppjacken in Cremetönen, weiche „Wolldecken“-Miniröcke mit Fransen in Kornblumenblau und Jacken aus einem neuartigen Hanf-Wollgemisch weckten Lust auf frische Herbstluft. Neben Weiß, Blau und Rot - den Farben der Trikolore - schwelgte Joop in Naturtönen. „Ich bin auf dem Land groß geworden und liebe das. Die Entwürfe sollten ein wenig an abgeerntete Kornfelder erinnern“, sagte der 67-Jährige nach der Schau. Die Models schritten leichtfüßig auf flachen Halbstiefeln einher. Der Potsdamer verzichtete auf High Heels. „Wenn man sich anguckt, wie Frauen oft dargestellt werden, sind das oft verheiratete Frauen in Bustierkleidern“, meinte er. Die würden von zwei, wenn nicht drei Männern versorgt. „Ich wollte dagegen eine Frau zeigen, die sich selbst bewegen kann auf flachen Schuhen.“