Lauter Ärger: Mit Vollgas auf dem Motorrad unterwegs

Anwohner im Bergischen Land und der Eifel leiden unter Lärm. Es kommt sogar zur Selbstjustiz.

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Leichlingen. An der idyllisch gelegenen Serpentinenstraße werben Tafeln für den Hofverkauf der Bauernhöfe. „Obst, Gemüse und täglich frische Eier.“ Felder und Wiesen, wohin das Auge blickt. Außer Vogelgezwitscher ist nichts zu hören. Doch an sonnigen Wochenenden zwischen März und Oktober ist an der L 359 in Leichlingen „die Hölle los“, sagt Anwohnerin Heike Klein. „Wenn hier die Motorradfahrer entlangdonnern, versteht man im Garten sein eigenes Wort nicht mehr.“

So wie Klein geht es in Sauerland, Eifel und Bergischem Land vielen Anwohnern, die ihre Häuser an Alleen und steilen Kurvenstrecken haben. Vier Gemeinden im Sauerland haben auf die Beschwerden von Bürgern reagiert und eine „Ordnungspartnerschaft Motorradlärm“ gegründet: Die Polizei in Meschede hat ein Messgerät angeschafft und will kontrollieren, ob die Maschinen im vorgeschriebenen Dezibel-Bereich bleiben.

Im Raum Aachen gibt es möglicherweise sogar einen Fall von Selbstjustiz: Unbekannte haben in Simmerath und Stolberg Öl in den Kurven mehrerer Landstraßen verschüttet. Ein 47-jähriger Biker stürzte und verletzte sich schwer. Die Staatsanwaltschaft geht von einem gezielten Angriff auf Zweiradfahrer aus und ermittelt wegen versuchter Tötung.

„Im Wohnzimmer dröhnen die Scheiben, wenn die Biker richtig Knallgas geben“, sagt Ferdi Remmert. Er wohnt wie Heike Klein an der L 359 in Leichlingen bei Leverkusen. Remmert ist selbst Motorradfahrer und weiß: „Die Auspuffanlagen dürfen gar nicht so laut sein, aber es gibt eben Tricks.“

Tricks, wie den Auspuff anzubohren oder verbotene Schalldämpfer anzubringen, sind der Polizei bekannt. Es gibt jedoch auch legale Methoden, um die Maschine geräuschvoller zu machen. Einige Auspuffanlagen werden serienmäßig mit einer elektronischen Klappensteuerung ausgestattet. Das soll Abgase reduzieren und die Leistung steigern. Doch: Eine offene Klappe im Auspuff macht die Maschine lauter. Den Experten der Technischen Dienste wie dem Tüv -Rheinland oder der Dekra sind bei der Lärmprüfung für die Betriebserlaubnis dennoch die Hände gebunden.

„Der Gesetzgeber hat für die Messung der Geräuschemissionen ein festgelegtes Verfahren unter bestimmten Bedingungen vorgegeben“, sagt Tüv-Kraftfahrzeugexperte Hans-Ulrich Sander. Und die sehen so aus: Das Motorrad wird im dritten Gang mit 50 Stundenkilometern über eine 20 Meter lange Messstrecke geschickt. Auf dieser Entfernung wird das Fahrzeug voll beschleunigt, am Ende wird das Gas schlagartig weggenommen.

Frank Sander, Motorradfahrer aus Düsseldorf

„Das Problem ist, dass die Elektronik der Maschine den Testzyklus erkennt“, erklärt Tüv-Experte Sander: Die Auspuffklappen bleiben zu und der Lärm im vorgeschriebenen Bereich. „Auf offener Strecke gehen die Klappen auf, die Maschine wird um ein Vielfaches lauter.“ Seiner Ansicht nach besteht hier eine Gesetzeslücke.

Ob die Gesetze schärfer werden oder nicht: Der Chef eines Düsseldorfer Harley-Geschäfts findet, dass schon die jetzigen Bestimmungen den Bikern den Spaß verderben. „Eine richtige Maschine, die zwischen 10 000 und 80 000 Euro kostet, muss auch nach einer klingen und nicht nach einem Staubsauger“, sagt Frank Sander. Motorradfahren sei ein Hobby, in dem Emotionen stecken. „Das muss Gänsehaut auslösen. Und das geht nur über den Klang.“