Mailänder Laufstege: Der Aufstand der Frauen
Mailand (dpa) - Die Frau will kein Schmuckstück mehr sein. Selbstbewusst marschiert sie durch das Leben. So sehen es Italiens Designer auf den bis Dienstag in Mailand laufenden Defilees für die Herbst/Winter-Saison 2012/13.
Basta! Es reicht! Was in diesen Tagen auf der Mailänder Modewoche (22. bis 28. Februar) über die Laufstege geht, wirkt wie ein Aufschrei gegen das Frauenbild der Berlusconi-Ära. Selbstbewusste Ladies und forsche Amazonen trotzen dem Klischee der ewig verfügbaren, jungen Gespielin. Die Designer legen im Herbst/Winter 2012/13 Wert auf dunkle Farben, maskuline Elemente, verhüllende Formen und gut gepolsterte Körper.
Lange sah es jedoch am Donnerstag so aus, als ob all das niemanden interessieren würde. Denn der Abgang von Raf Simons als Designer der Marke Jil Sander lenkte vom eigentlichen Geschehen ab und es wurde über die Rückkehr von Jil Sander spekuliert. Am Freitagnachmittag bestätigte die PR-Agentur des Unternehmens dann, dass Jil Sander in ihre alte Firma zurückkehrt. „Jil Sander ist wieder da“, ist die Mitteilung überschrieben. Die 68-Jährige werde von Dienstag (28. Februar) an als Kreativdirektorin für das Unternehmen arbeiten.
Dass sich die Aufmerksamkeit aus der Gerüchteküche doch wieder auf den Laufsteg verlagerte, war umso wichtiger, da am Donnerstagabend mit Prada die Schlüssel-Show der Milano Moda Donna auf dem Programm stand. Was hier gezeigt wird, nimmt stets Einfluss auf die gesamte Branche.
Auch Miuccia Prada zeigte, wie schon andere Designer zuvor, viel Schwarz. Sie besetzt es jedoch mit wuchtigen Schmucksteinen, die sich an Säumen und Kanten entlang formieren oder auf der Brust zu einer kunstvollen Panzerung zusammenfinden. Das Schlüsselelement ihrer neuen Mode ist ein langer ärmelloser Mantel. Zu ihm kombiniert sie zum Beispiel einen leicht ausgestellten Rock, der konsequent im Duett mit einer knöchellangen Hose auftritt. Diesen Lagen-Look führt Miuccia Prada in verschiedenen Varianten durch die gesamte Kollektion. Es gibt ihn zum Beispiel auch in jenen grafischen Musterbildern, die ein Teil der eigenen Marken-Geschichte sind.
Mit ihren schwarz geschminkten Augen und den glatten, zweifarbigen Haaren sahen die Prada-Models sehr futuristisch, kühl und dynamisch aus. Solche Frauenbilder sieht man derzeit oft auf den Mailänder Laufstegen. Sie wirken, gewollt oder nicht, wie ein Gegenentwurf zu dem, was allabendlich im italienischen Privatfernsehen geboten wird. Gegen diese Sexualisierung setzen sich inzwischen immer mehr Italienerinnen zur Wehr - und erhalten nun Rückendeckung von der Mode.
Vor den Fendi-Amazonen könnte man sich als Mann fast schon ein wenig fürchten. Was Silvia Venturini Fendi und Karl Lagerfeld, das kreative Führungsduo des römischen Labels, am Donnerstag aufboten, war ein spektakulärer Mix an Ideen. Samurai-Einflüsse, viktorianische Elemente, dazu ein breiter Bustiergürtel, der eher an die Trophäe eines Box-Champions erinnert, alles fügt sich ineinander. Es gibt überraschende Faltenspiele, Drapierungen, Lagenoptiken und viele markante Schultern. Das Haus Fendi hat seinen Ursprung im Pelz. Im Herbst/Winter 2012/13 wird dieses Material so kunstvoll verarbeitet, dass es zuweilen die Anmutung von Federn erhält.
Auch in der Kollektion Ermanno Scervino taucht Pelz auf, als Kragen auf einem Parka oder in Leoparden-Maserung bedruckt für Mäntel und Pullover. Es ist zudem viel Strick dabei, geknotet, flauschig oder im sehr groben Griff. Max Mara wiederum interpretiert eine sehr forsche Frau in langen, maskulinen Mänteln und akzentuiert Gamaschen mit Schnallen-Details. Militärische Einflüsse durchziehen die gesamte Kollektion. Veronica Etro schließlich schickte am Freitag eine sehr modern gemixte Kollektion über den Laufsteg. So kombiniert sie den bedruckten Bleistiftrock zu einem Pullover mit Lederschößchen. Am zur weiten Satin-Hose getragenen Blazer fließen Leder-Volants herab. Immer wieder tauchen lange Schlauchkleider in opulenten Patchwork-Mustern auf. Denn dass die Frau eigenwillig ist, bedeutet schließlich nicht, dass sie dafür ihre Sinnlichkeit aufgeben muss.