Massenprotest gegen Atomkraft
In Köln, Berlin, Hamburg und München kam es am Wochenende zu den bislang größten Protesten gegen Kernenergie.
Köln/ Berlin. Harte Blues-Rock-Klänge hallen über den Potsdamer Platz in Berlin-Mitte. „Fukushima heißt abschalten“, intoniert die Sängerin der Band Mümmes-Straßenrock. „W...W...W — weltweiter Widerstand“, stimmt ein Mitstreiter ein und lässt den Bass heftig brummen.
Jung sind sie nicht mehr, die Musiker, aber sie bringen ihre Zuhörer noch immer zum Tanzen. Mütze auf dem Kopf, die Regenjacke zugeschnürt — auch die Kleidung scheint man schon 1981 in Brokdorf gesehen zu haben.
In Brokdorf oder Wackersdorf wird manch einer von denen, die am Samstag mit Fähnchen, Plakaten oder Transparenten durch Berlin, Hamburg, Köln und München ziehen, mit dabei gewesen sein. Aber die Veteranen bleiben in der Minderheit. Allein in der Hauptstadt demonstrieren 100.000 Menschen unter dem Eindruck der Katastrophe im Atommeiler Fukushima gegen die Atompolitik der Bundesregierung. In den anderen drei Städten sind es weitere 150.000.
Das Ehepaar Lilo und Hans Kneilmann aus dem Westerwald hatte vor fünf Jahren seine alten Anti-Atom-Buttons und Transparente weggeworfen. Die beiden hatten nicht mehr damit gerechnet, dass für die Abschaltung der Atomkraftwerke noch einmal Massendemonstrationen stattfinden würden. „Ich habe dann im Internet neue bestellt“, erzählt Hans Kneilmann in Köln, wo er sich am Samstag dem Demonstrationszug angeschlossen hat.
Neben ihm steht sein 16-jähriger Sohn Florian. Er ist nicht nur mit seinen Eltern, sondern auch mit vielen Freunden nach Köln gefahren. „Atomkraft ist gefährlich“, sagt Florian. Aber jetzt gebe es endlich viele Menschen, die sich mit diesen Gefahren auch auseinandersetzen.
Einige Meter weiter schaut Adelheid Müller gebannt zur Bühne. „Ich habe den Weltkrieg erlebt und gesehen, wie alles kaputt war“, erzählt die 83-jährige Kölnerin. „Ich will nicht, dass jetzt wieder alles kaputt geht.“
In Berlin, aber auch Hamburg hat der Protestzug etwas von einem Familienfest. Viele Menschen haben ihre Kinder mitgebracht. Für nicht wenige Frauen äußert sich die Angst vor einem atomaren Desaster wie jetzt Fukushima in der Angst um ihre Kinder. „Atomkraft zerstört Leben“, heißt es auf Plakaten, oder auch „Unser Krebs kommt von eurem AKW“.