Mehr als 170 Vermisste nach Mega-Erdrutsch in den USA
Oso (dpa) - Drei Tagen nach der verheerenden Schlammlawine im US-Staat Washington schwinden die Hoffnungen auf Überlebende. Die Rettungskräfte konnten bislang 14 Leichen bergen, bis zu 176 Menschen gelten als vermisst.
Die Helfer setzten ihre Suche am Dienstag mit Spürhunden, Hubschraubern und elektronischen Geräten fort. Doch Einsatzleiter John Pennington dämpfte die Erwartungen: „Die meisten von uns hier glauben, dass wir niemanden mehr lebend finden werden.“ Die Behörden betonen immer wieder, die Katastrophe sei völlig unabsehbar gewesen - doch ein Geologe hatte bereits vor Jahren Alarm geschlagen.
Streckenweise bis zu zehn Meter ist die Schlammlawine hoch, die sich am Samstag über die kleine Gemeinde Oso, 100 Kilometer nördlich von Seattle, gewälzt hatte. Mehr als 30 Häuser wurden zerstört. Sieben Verletzte wurden in Krankenhäusern behandelt, drei Patienten befänden sich in kritischem Zustand, berichtete die „Seattle Times“.
Am Dienstagmorgen setzte erneut Regen ein, was die Rettungsarbeiten zusätzlich erschwerte. „Die Verwüstung ist gewaltig, die Herausforderungen für die Rettungskräfte sind enorm“, sagte Pennington. Teilweise gehen die Teams mit Wärmebildkameras vor, berichteten US-Medien. Doch seit Samstag wurde niemand mehr lebend aus den Schuttmassen gerettet.
In der Nacht zum Dienstag mussten die Behörden die Zahl der Vermissten von zunächst 108 auf 176 nach oben korrigieren. Allerdings seien diese Angaben sehr vage. „Es gibt sicher Doppelzählungen“, vermutete Pennington. „Doch das ist die Zahl, mit der wir arbeiten müssen.“ Wie viele Opfer am Ende zu beklagen sein werden, sei noch unklar.
Teilweise machten sich Angehörige von Vermissten auf eigene Faust auf die Suche. „Ich kann nicht daheimbleiben und nichts tun“, sagte ein Mann, dessen Schwester vermutlich unter der Schlammlawine liegt.
„Die Situation ist sehr bitter“, sagte der örtliche Feuerwehrchef Travis Hots. Die Helfer kämen bei den Sucharbeiten in dem zähen Schlamm mit Geröll und Trümmern nur langsam voran. Teilweise habe sich der Schlamm wie Zement verfestigt, an anderen Stellen sei er wie Treibsand.
Allerdings ist der Erdrutsch offenbar doch nicht völlig unerwartet über die Menschen hereingebrochen. Der amerikanischer Geologe Daniel Miller hatte bereits vor Jahren Alarm geschlagen. Wie die Zeitung „The Seattle Times“ berichtete, warnte Miller 1999 in einem Bericht vor „einem potenziellen, großen und katastrophalen Zusammenbruch“ des Steilhangs. Dagegen sprechen die Behörden von einem „völlig unvorhersehbaren“ Ereignis.
Spätestens seitdem sich am gleichen Ort bereits 2006 ein kleinerer Erdrutsch ereignet habe, hätten Experten gewusst, dass es zu einer Tragödie kommen könne, sagte Miller weiter. Daher sei er auch schockiert gewesen, dass es weitere Baugenehmigungen gegeben habe.
Die Schlammlawine ist nach Angaben des Geologen Dave Norman mehr als 450 Meter lang. Es sei einer der größten Erdrutsche, den er je gesehen habe, erklärte der Wissenschaftler. Die Verwüstung bedeckt eine Fläche von mehr als 360 Fußballfeldern. Auch ein breiter Abschnitt einer Bundesstraße wurde von dem Geröll begraben.