Religionsphilosoph Eugen Biser gestorben
München (dpa) - Seine Abendgottesdienste lockten viele Menschen in München an, sein Name zog: Auch noch im hohen Alter setzte sich der Religionsphilosoph Eugen Biser für eine Theologie der Zukunft ein, die auf aktuelle Fragen der Menschen eingeht.
„Leben ist wichtiger als der Apparat“, sagte er mit Blick auf die kirchliche Hierarchie. Noch bis vor einigen Jahren veröffentlichte er Bücher und leitete das von ihm gegründete Seniorenstudium an der Universität München, das bundesweit Schule machte. Am Dienstag ist er mit 96 Jahren gestorben, wie die Eugen-Biser-Stiftung in München mitteilte.
Das Werk des katholischen Theologen, der zu seinen Vorlesungen an der Münchner Uni stets mit seinem blauen Roller fuhr, umfasst 150 Bücher. Zu seinem 95. Geburtstag schaltete die Eugen-Biser-Stiftung am 6. Januar 2013 eine umfassende Bibliografie mit rund 1400 Schriften im Internet frei.
Biser wollte die christliche Botschaft vom Menschen her und auf den Menschen hin verstehen. Er wolle „eine Religion für die Menschen und nicht die Menschen für die Religion“, sagte er einmal. Dabei hatte er stets die aktuelle Entwicklung in Kirche und Gesellschaft jenseits feststehender Dogmen im Blick. „Alle friedlosen Zustände zerstören den Menschen. Menschsein und Frieden sind Synonyme“, sagte Biser.
Ursache der heutigen Glaubenskrise sei die tiefe Angst, die einerseits durch Verlust von Bindung entstehe, andererseits selbst Bindung zerstöre. „Die Angst zerstört alle wirklichen Beziehungen“, sagte er. „Die Angst ist das eigentliche Verhängnis unserer Zeit. Wir haben ein Zeitalter der Angst.“ Das Christentum sei von seiner Wurzel her die Religion zur Überwindung der Angst durch die Bindung an Gott.
Biser wurde 1918 in Oberbergen (Südbaden) geboren und 1946 zum Priester geweiht. Nach langjähriger Tätigkeit als Religionslehrer in Heidelberg sowie Promotion und Habilitation ging er 1965 als Fundamentaltheologe an die Universität Passau, anschließend nach Würzburg. Von 1974 bis 1986 lehrte er als Nachfolger von Karl Rahner auf dem einst für Romano Guardini geschaffenen Lehrstuhl für Christliche Weltanschauung und Religionsphilosophie in München. Seine Vorlesungen waren wie seine Gottesdienste bestens besucht.
Das Bild eines angstmachenden und strafenden Gottes lehnte Biser stets entschieden ab. Vielmehr stand für ihn die bedingungslose Liebe Gottes im Mittelpunkt: Das Evangelium vermittle Heil und Heilung. Biser suchte den Dialog nicht nur zwischen den christlichen Konfessionen, sondern mit allen Religionen - auch mit Nicht-Glaubenden und Atheisten.
Beim Thema Ökumene mahnte Biser die Kirchenspitze, die Augen für die längst laufende Entwicklung zu öffnen. „Die Basis ist weiter voran als die Spitze. Die Spitze hängt noch in den alten Modellen, während die Basis längst begriffen hat, dass wir das Christentum nur mit einer Stimme vertreten können“, sagte er an seinem 90. Geburtstag.
Der Vorsitzende des Stiftungsrates der Eugen-Biser-Stiftung, Richard Heinzmann, fasste das Anliegen des Theologen im vergangenen Jahr so zusammen: „Eugen Biser wollte die starren Strukturen der Kirche von innen her aufbrechen und die Kirche auf diese Weise zur Mitte des Evangeliums zurückführen.“