Mehr als 8000 Betroffene berichten von Missbrauch
Berlin (dpa) - Mehr als 8000 Betroffene haben sich seit dem Frühjahr an die Unabhängige Beauftragte zur Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs gewandt.
Besonders viele Anrufe und Briefe seien nach dem Start der bundesweiten Kampagne „Sprechen hilft“ im September eingegangen, sagte die Missbrauchsbeauftragte Christine Bergmann am Donnerstag in Berlin, wo sie ihren Zwischenbericht vorstellte. „Es ist noch lange nicht alles auf dem Tisch“, betonte sie. Bergmann sprach sich für eine dauerhafte Anlaufstelle aus. Betroffene unterstützten sie darin.
Nach dem Start der Kampagne sei der Frauenanteil unter den Betroffenen von 58 auf 63 Prozent gestiegen, sagte der Psychotherapeut und wissenschaftliche Betreuer Jörg Michael Fegert. Außerdem sei das Durchschnittsalter mit 47,3 Jahren niedriger als vor der Kampagne (51). Der jüngste Anrufer war acht Jahre, die älteste Anruferin 81 Jahre alt. Fegert betonte, dass nur ein Teil der Betroffenen verwertbare Daten angab.
Veränderungen gab es auch beim gemeldeten Umfeld des Missbrauchs. Während in den ersten Monaten vor allem Fälle aus Institutionen (44 Prozent) gemeldet wurden, waren es seit September vor allem Familien (44 Prozent). Die Hälfte der Missbrauchsfälle in Institutionen betraf laut Fegert die katholische Kirche. Weitere Fälle, aber in deutlich geringerem Ausmaß, gab es in Einrichtungen der evangelischen Kirche sowie in Schulen, Heimen und medizinischen Einrichtungen.
Mehr als 90 Prozent der Betroffenen berichteten demnach von Taten, die zum Teil viele Jahre zurücklagen. Ebenfalls 90 Prozent erlebten den Missbrauch mehrfach.
„Es ist ein Thema, das in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist“, sagte Bergmann und sprach sich „unabhängig von meiner Person“ für eine dauerhafte Anlaufstelle auf Bundes- oder Landesebene aus. „Ich bin hier fertig, wenn ich meine Empfehlungen abgegeben habe“, sagte sie. Nach Angaben einer Sprecherin ist dies für Mai geplant.
Gabriele Gawlich vom Betroffenen-Verein „Mogis“ unterstützte die Forderung nach einer permanenten Anlaufstelle für Betroffene. Sie forderte außerdem mit Blick auf den Runden Tisch gegen sexuellen Missbrauch, dass die Opfer in alle Gremien einbezogen werden. Der Tisch wird von den drei Ministerinnen Kristina Schröder (CDU, Familie), Annette Schavan (CDU, Bildung) und Sabine Leutheusser- Schnarrenberger (FDP, Justiz) geleitet. Die Opfer seien zur nächsten Sitzung am 1. Dezember nicht eingeladen, sagte Gawlich.
Im Januar waren erste Verdachtsfälle von sexuellem Missbrauch am Berliner Canisius-Kolleg bekannt geworden. Sie lösten einen bundesweiten Skandal zu sexuellem Missbrauch in kirchlichen Einrichtungen und auch an Schulen aus.