Minderjährige: Die Klasse der jungen Mütter
In einer Düsseldorfer Hauptschule besuchen vier Mädchen mit Kindern dieselbe Klasse. Die Rektorin unterstützt sie.
<strong>Düsseldorf. Als Schulleiterin Birgit Planken sagte, sie würde die 15-jährige Maria (alle Schülernamen geändert) nicht aufnehmen, stand deren Mutter die Verzweiflung ins Gesicht geschrieben. Also fragte die Schulleiterin einer Düsseldorfer Hauptschule vorsichtshalber noch einmal genauer nach. Warum sei es denn für das Mädchen so unglaublich wichtig, von der Gesamt- auf die Hauptschule zu wechseln?
Marias Mutter holte tief Luft, und die Geschichte, die sie erzählte, verschlug Birgit Planken die Sprache: Ihre Tochter habe eines Morgens vor dem Bett der Eltern gestanden, auf dem Arm einen Säugling, den sie erst kurz zuvor zur Welt gebracht hatte - allein in ihrem Kinderzimmer.
Wie ein unaussprechliches Verhängnis hatte die junge Frau ihre Schwangerschaft verborgen. Vor der Familie, dem Freundeskreis und in der Schule. Vor allem in der Schule. Und tatsächlich will niemandem aufgefallen sein, dass aus der 15-jährigen Schülerin Maria eine Mutter wurde. Als das Kind auf der Welt war, entdeckten jedoch Mitschülerinnen Marias Geheimnis und drohten damit, allen von dem Baby zu erzählen, wenn sie nicht ihre kriminellen Befehle ausführe.
Birgit Planken war fassungslos. Am Morgen nach dem Gespräch mit Marias Mutter stellte die Direktorin einer Kollegin die alles entscheidende Frage: "Schaffen wir noch eine vierte junge Mutter?" Sie ahnte, dass es für das Mädchen keinen besseren Ort geben würde als ihre Schule.
Der Grund für diese Erkenntnis ist so einfach wie ungewöhnlich: Die Düsseldorfer Hauptschule hat in einer zehnten Klasse eine vermutlich in Deutschland einmalige Häufung von minderjährigen Müttern. Mit Maria sind es heute vier junge Frauen im Alter von 16 bis 18 Jahren. Sie alle besuchen die Klasse von Direktorin Birgit Planken, denn die ist selbst Mutter von Zwillingen.
Ihre neue Lebenssituation hat unmittelbare Auswirkungen auf die Schule. Es sind ein paar Fehlstunden mehr geworden, und auch die Hausaufgaben werden nicht immer erledigt. Birgit Planken hat dafür Verständnis, aber eine Sonderbehandlung gibt es deswegen nicht.
Stattdessen reagiert die Pädagogin pragmatisch. Als eine ihrer jungen Mütter anrief, um mitzuteilen, dass niemand auf ihr Kind aufpassen und sie deswegen nicht zum Unterricht kommen könne, zitierte die Direktorin Mutter und Kind in die Schule. "Das war kein Problem." Und als in der dritten Stunde ein Biotest geschrieben wurde, drehte Planken eine Runde mit dem Kinderwagen der Schülerin.
Der Direktorin ist es ein wichtiges Anliegen, dass die jungen Frauen gut durch die Schule kommen. Und gemessen an der Doppelbelastung sind die Noten der Jugendlichen mit durchschnittlich zwei bis drei sogar recht gut.
Bei den Mitschülern kommt das geballte Mutterglück an. "Die sind echt nett, sogar die Jungen finden unsere Babies süß", sagt Lea. "Aber wenn es anders wäre, wär es mir auch egal. Sollen sie doch denken, was sie wollen."
Für das, was sie und die anderen Mädchen durchmachen, brauchen sie diesen Trotz. Denn er gibt Kraft, die erste große Enttäuschung zu überwinden. Die Erfahrung, dass aus dem romantisch verklärten Wunsch nach der eigenen Familie am Ende doch nur ein allzu rasches Erwachsenwerden resultiert.
Alle vier Jugendlichen leben noch im Elternhaus, wo in der Regel eine alleinerziehende Mutter den Haushalt führt. Lea hat Glück, sie kann auf Eltern und Großeltern zählen. Der Vater des Kindes steht ihr allerdings nicht zur Seite. "Er hat meine Schwangerschaftslaunen nicht ausgehalten."
Keiner der vier Väter ist zum Partner geworden. Unsicherheit und Vorwürfe belasten beide Seiten. Vor allem die jungen Mütter. Trotzdem ist Abtreibung zumindest für Lea nie ein Thema gewesen. "Wer etwas anstellt, muss auch dafür gerade stehen."
Jugendamt Sobald ein minderjähriges Mädchen ein Kind zur Welt bringt, informieren die Krankenhäuser das jeweilige Jugendamt, das auf die Mütter zugeht.
Düsseldorf In Düsseldorf leben aktuell 55 Mütter unter 18 Jahren, darunter ein zwölfjähriges Kind.
Krefeld Im Jahr 2006 betrug die Zahl der Mütter unter 18 Jahre 22 (2005: 34).
Wuppertal 37 minderjährige Mütter wurden 2006 gezählt. Im Vorjahr lag deren Zahl bei 42. Davon waren zwölf Mädchen sogar jünger als 16 Jahre.
Solingen 2006 waren es 13 minderjährige Mütter, 2005: 15
Remscheid: Fünf Mütter unter 18 Jahre zählte man in Remscheid im Jahr 2006. Diese Zahl entspricht exakt der des Vorjahres.