Minensucher auf den Falklandinseln: Zur Arbeit in die Todeszone
Der Krieg auf den Falklandinseln ist lange vorbei, unter der Erde liegen aber noch Tausende Todesfallen. Auf Schicht mit einem Minenräumer.
Stanley. Die Schicht beginnt mit einem Eintrag in die Blutgruppenliste. „Ich schätze, das macht uns zu besten Freunden“, sagt Nheya Madzokere zu einem seiner simbabwischen Kollegen — beide haben A positiv. Noch ein Schluck Kaffee, dann streift sich der Landminen-Räumer die Splitterschutzweste über und klappt das Visier herunter. Ein neuer Arbeitstag in der Todeszone. Mit ruhiger Hand bewegt Madzokere einen Metalldetektor über den Boden. Nun liegt es an dem 42-Jährigen, das matschige Erdreich zu prüfen. „Sie sinken in den Schlamm richtig tief ein“, sagt Madzokere, während er sich Stück für Stück vortastet.
Mit „sie“ ist die SB-33 gemeint, eine Anti-Personen-Mine italienischer Bauart, wie sie überall auf den Falklandinseln zu finden ist. 20 000 Landminen werden auf der Inselgruppe vermutet, die 400 Kilometer vor Argentinien liegt, als Überseegebiet aber zu Großbritannien gehört. Zuletzt kam es 1982 zum Krieg, als Argentinien die Inseln besetzte. Zurückgeblieben sind bis heute die explosiven Hinterlassenschaften der Argentinier, denen bisher jedoch nur einige Schafe zum Opfer gefallen sind.
Um Spaziergänger und Touristen abzuhalten, sind die Minenfelder mit Stacheldrahtzäunen abgesperrt. „Danger, Mines“, ist darauf zu lesen. „Ich denke immer daran, und das muss auch so sein“, sagt Madzokere. „Sobald die Konzentration nachlässt, wird’s gefährlich.“ Fünf Arbeiter sind in „Minefield 95“ zugange. Sie graben sich mit einer löffelähnlichen Schaufel Stück für Stück voran. Seitlich piksen sie in die Erde, so als wollten sie die Temperatur eines Bratens prüfen.
Die praktische Arbeit erfordert vor allem Geduld. Immer wieder muss die Suche wegen starker Regenschauer unterbrochen werden. Schweres Gerät kann auf den Falklands nicht eingesetzt werden, weil sie im durchnässten Boden sofort versinken würden. Spürhunde, die den Sprengstoff der Minen riechen können, kommen wegen starker Windböen auch nicht infrage.
Dass die Minen-Räumer fast immer aus Afrika stammen, führen ihre Arbeitgeber auf eine simple Tatsache zurück. „In ihrer Heimat werden sie mit den Problemen, die diese Technik verursacht, tagtäglich konfrontiert“, sagt Guy Marot, der das Abtragen der Minen für die britische Regierung überwacht. Richtig ist aber auch, dass es in Ländern wie Simbabwe mit einer Arbeitslosenquote von 80 Prozent an Alternativen fehlt. Lieber ein gefährlicher Job als gar keiner.
Eine Festanstellung hat Nheya Madzokere bis heute nicht. Die Minenräumer werden von ihrem Auftraggeber nach Bedarf gebucht. Wie viel das Unternehmen zahlt, verrät es nicht. Die Minenräumer verdienten aber dreimal so viel wie bei jedem anderen Job in der Heimat, erklärt Marot. Legt man den Weltentwicklungsbericht der Vereinten Nationen zugrunde, dürften das trotzdem nur wenige Dollar pro Tag sein. Zumindest aus wirtschaftlicher Sicht gilt sein Arbeitsplatz als sicher: Weltweit liegen nach Schätzungen der Vereinten Nationen noch immer über 100 Millionen Anti-Personen-Minen im Boden. Wohin Madzokere der nächste Einsatz verschlägt, weiß der Minenräumer noch nicht. „Wie es Gott gefällt“, sagt er nur und macht sich wieder an die Arbeit.