Mutterglück mit 66 Jahren

debatte Die Britin Elizabeth Adeney ist die älteste Neu-Mutter Europas – und für viele die größte Egoistin.

London. In einem Alter, in dem andere über Rentenbesteuerung oder ein Geschenk für die Enkel nachdenken, hat Elizabeth Adeney ihr Baby aus der Klinik nach Hause geholt. Empörte Kritiker lässt die 66-Jährige und älteste Neu-Mutter Europas abblitzen: Ihren Sohn hat sie "Jolyon" (von lat. Julius) genannt, was so viel bedeuten soll wie "jung im Herzen".

"Man ist so alt, wie man sich fühlt", sagte Adeney, "und an manchen Tagen fühle ich mich wie 39, an anderen wie 56 - das biologische Alter ist dabei egal." Die Reaktionen der Senior-Mutter waren, gemessen an der gewaltigen Entrüstung, erstaunlich gelassen. Alter mag relativ sein, doch Adeneys späte Niederkunft kratzt an den Igitt-Grenzen des Königreichs. "Atemberaubenden Egoismus" unterstellen ihr einige, andere geben zu, die aktuellen Mutter-Kind-Fotos der 66-Jährigen geradezu "ekelerregend" zu finden.

Adeney hatte das gesunde Kind vergangene Woche in Cambridge per Kaiserschnitt zur Welt gebracht, nachdem ihr eine ukrainische Klinik eine gespendete und künstlich befruchtete Eizelle eingesetzt hatte. Die geschiedene, wohlhabende Geschäftsfrau lebt allein. "Ich bin durchaus in der Lage, mich um mich selbst zu kümmern - das tue ich seit Jahren", lässt Adeney ausrichten.

Doch fraglich ist, wie lange Jolyon noch etwas von seiner Mutter hat: Adeney wird 79Jahre alt sein, wenn der Sohn seine Teenagerjahre antritt und Mitte 80, wenn er ein Studium beginnen sollte. Künstliche Befruchtungen sind aus diesen Gründen in Großbritannien nur bis zum 50. Lebensjahr erlaubt; Ärzte betonen, dass Schwangerschaften älterer Frauen bei guter Versorgung und durch die jungen Eizellen zwar medizinisch unproblematisch seien, doch die "psychologische" Komponente doch sehr schwer wiege.

Der Fall der 57-jährigen Susan Tollefsen, die zuletzt in England ihr spätes Mutterglück feierte, zeigt aber auch, dass es manchmal zu einfach ist, Kinderwünsche im hohen Alter einfach zu verurteilen. Tollefsen musste jahrelang auf eine Schwangerschaft verzichten, weil sie sich um ein Kind nicht hätte kümmern können. Neben ihrem Beruf pflegte sie nämlich ihre kranken Eltern. Als ihr Kind dann da war, ging sie statt in Elternzeit in Frührente.

Adeney, Managerin einer Manufaktur, die Handschuhe und Reitgerten für das Königshaus herstellt, hat bis vor kurzem gearbeitet und plant, noch dieses Jahr in ihren Job zurückzukehren. Die Kinderpflege delegiert sie nach Medienberichten an eine Vollzeit-Nanny. Die öffentliche Kritik will sie "aussitzen".

Unterstützung bekommt sie durch die wachsende Zahl Gleichgesinnter: In den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl der Erstgebärenden über 45 Jahre auf 1100 verdoppelt. Trend: steigend. Und cleverer werden die Argumente in dieser emotionalen Diskussion auch: Männer, so der Hinweis einiger Frauen, werden nie dafür kritisiert, dass sie mit über 60 noch Vater werden. Warum sollten für Mütter also andere Regeln gelten?