In den Schlagzeilen Nach dem Fall Wedel: Schauspielverband wappnet sich
Berlin (dpa) - Nach den Anschuldigungen gegen Regisseur Dieter Wedel rechnet der Bundesverband Schauspiel (BFFS) in Zukunft mit weiteren Vorwürfen sexueller Belästigung und sexuellen Missbrauchs in der Branche.
Es bestehe Konsens, dass eine überbetriebliche Beschwerdestelle gegründet werden müsse. Für diese Idee hatte sich am Donnerstag auch die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, stark gemacht.
„Nach den konkreten Vorwürfen gegen Harvey Weinstein und nun gegen den Regisseur Dieter Wedel werden sicherlich in Zukunft weitere Fälle in der Öffentlichkeit bekannt, die die Vorwürfe über sexuelle Belästigung und sexuellen Missbrauch am Arbeitsplatz in der Film- und Fernsehbranche zum Gegenstand haben werden“, teilte der BFFS der Deutschen Presse-Agentur am Freitag mit.
Der Verband, zu dessen Vorstand die Schauspieler Hans-Werner Meyer und Heinrich Schafmeister gehören, werde die einzelnen konkret in den Medien diskutierten Fälle nicht kommentieren, hieß es. Das verbiete der Respekt gegenüber den betroffenen Personen. Außerdem wolle man Vorverurteilungen vermeiden.
In einem Interview mit dem Radiosender hr-info sagte Vorstandsmitglied Meyer: „Es gibt keine Standards. Die müssen wir aufbauen. Man müsste in einem Verhaltenskodex festlegen, dass es nicht geht, dass sich ein Regisseur unter vier Augen mit einer Schauspielerin in einem Hotelzimmer trifft.“ Unter Schauspielern herrsche ein ganz anderer Umgang als in einem normalen Büro. „Der ist sehr viel physischer und sehr viel emotionaler“, sagte Meyer. „Und das kann natürlich leicht ausgenutzt werden.“
In einem Bericht des „Zeit-Magazins“ vom Donnerstag kamen mehrere Schauspielerinnen zu Wort, die schwere Anschuldigungen gegen Wedel erheben, bis hin zu erzwungenem Sex. Wedel, der unter anderem mit TV-Mehrteilern wie „Der Schattenmann“, „Der große Bellheim“ und „Der König von St. Pauli“ Bekanntheit erlangte, wies die Vorwürfe per eidesstattlicher Erklärung als unzutreffend zurück. Sein Rechtsanwalt Michael Philippi machte auf Anfrage am Freitag keine Angaben, ob und wie sich Wedel gegen die Berichterstattung des Magazins juristisch zur Wehr setzen wolle.
Die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) warnte unterdessen vor einer Vorverurteilung. Es gelte die Unschuldsvermutung, sagte sie der „Passauer Neuen Presse“ (Freitag). „Wenn man Menschen an einen Pranger stellt, macht man sie kaputt. Dem dürfen auch die Medien keinen Vorschub leisten“, mahnte Leutheusser-Schnarrenberger, die von 1992 bis 1996 und von 2009 bis 2013 Justizministerin war. „Vor einem öffentlichen, digitalen Pranger kann ich nur warnen.“
„Man darf Frauen nicht verwehren, wenn sie meinen, Opfer von sexuellen Übergriffen geworden zu sein, dies auch offen zu sagen“, meinte die Ex-Ministerin. Dennoch sei „eine gewisse Zurückhaltung“ notwendig, bevor dies nicht aufgeklärt sei. „Ich hoffe nur, dass die eidesstattliche Erklärung von Herrn Wedel am Ende auch trägt.“
Für Schauspielerin Elisabeth Lanz (46, „Tierärztin Dr. Mertens“) ist es undenkbar, dass an den Vorwürfen gegen den Star-Regisseur etwas dran ist: „Ich kann mir die beschriebenen Szenarien bei Herrn Wedel nicht vorstellen.“ Sie wundert sich auch, dass sie nun erst publik geworden ist: „Es riecht nach niedrigen Beweggründen, und ich empfinde Fremdscham und zutiefstes Unverständnis für diejenigen, die sich nach 25 Jahren mit solchen Geschichten wichtig machen müssen“, sagte Lanz der Deutschen Presse-Agentur. Die Österreicherin spielte zuletzt unter der Regie Wedels in seinen Festspiel-Produktionen „Hexenjagd“ und „Luther - Der Anschlag“.
Zu Wedels nicht unumstrittenen Führungsstil und seinem Umgang mit Schauspielern und Schauspielerinnen sagt Lanz: „Er hat die Fähigkeit, Menschen zu ganz außerordentlichen Leistungen zu bringen. Dass dies nicht immer mit Spaß zu tun hat, versteht sich von selbst.“ Auch sie musste bei den Proben unter Wedel harte Kritik einstecken, wie Wedel selbst einmal freimütig berichtete.
Lanz sagte, sie habe ein Problem mit der derzeitigen Debatte: „Es stört mich als Frau, ständig von Frauen als Opfer zu lesen. Ich würde mir viel mehr Berichte über starke souveräne Frauen wünschen. Die „#MeToo“-Debatte ist fraglos wichtig, jedoch erscheint sie mir inzwischen als Voyeurismus.“
Schauspielerin Corinna Pohlmann (28), die ebenfalls in „Hexenjagd“ mitspielte und im Luther-Stück 2017 eine erotische Verführerin mimte, sagte der dpa: „Niemals habe ich erlebt, dass jemand von Herrn Wedel in irgendeiner Form sexuell belästigt wurde.“ Die österreichische Schauspielerin Sonja Kirchberger (53), die unter anderem in Wedels „Der König von St. Pauli mitwirkte, sagte der „Bild“-Zeitung (Freitag): „Es gab sehr viele Gerüchte über Affären, aber ich habe nie etwas über sexuelle Übergriffe gehört oder derartiges gesehen.“ Sie wisse aber nicht, was „hinter verschlossenen Türen“ passiert sei.