Neues Gesetz: Landbesitzer wehren sich gegen Jagd auf Tiere
Seit 1. April gilt bundesweit ein neues Gesetz: Eigentümer können den Abschuss aus ethischen Gründen verbieten.
Münster. Als einer der ersten Grundstücksbesitzer in NRW hat André Hölscher seine rund zehn Hektar Land in Ladbergen nördlich von Münster zur jagdfreien Zone erklärt — aus ethischen Gründen. „Es ist unvertretbar, dass sich der Mensch als eine Spezies von vielen das Recht nimmt, über Leben und Sterben anderer zu entscheiden“, sagt der 39-Jährige. Seit dem 1. April darf auf Hölschers Anwesen niemand mehr jagen. Und das mit Erlaubnis der Behörden. Ein neuer Paragraf im Bundesjagdgesetz erlaubt es Grundstückseigentümern, die Jagd auf ihrem Land abzulehnen.
Auch in anderen NRW-Städten wie Wuppertal und Düsseldorf wehren sich Eigentümer gegen den Abschuss von Tieren auf ihrem Besitz. Die dort vorliegenden drei Anträge werden derzeit geprüft. Im Kreis Mettmann wartet als einziger der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) auf grünes Licht für eine jagdfreie Zone für zwei Grundstücke in Heiligenhaus. Das Anliegen werde jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit abgelehnt, teilte eine Sprecherin des Kreises mit. Grund: Nach jetziger Rechtslage könnten nur natürliche, nicht aber juristische Personen eine jagdfreie Zone beantragen.
Hans-Jürgen Thies vom Landesjagdverband NRW (LJV) schätzt die Zahl der bisherigen Anträge landesweit auf etwa 150. Offizielle Zahlen für NRW gebe es nicht, sagt ein Sprecher des Landwirtschaftsministeriums.
Bisher mussten Landbesitzer die Jagd auf ihrer Scholle auch dulden, wenn sie Skrupel hatten. Zwar ist der Besitzer eines zur Jagd geeigneten Grundstücks von mehr als 75 Hektar darauf auch nach dem Jagdgesetz sein eigener Herr. Wer aber ein kleineres Grundstück sein eigen nennt, werde automatisch Mitglied einer Jagdgenossenschaft, erklärt Torsten Reinwald vom Deutschen Jagdverband.
Die Ausübung des Jagdrechts steht dann nicht mehr dem Einzelbesitzer zu, sondern der Genossenschaft. Sie ist der Zwangsverbund der betroffenen Landbesitzer. Sie können selbst auf die Jagd gehen oder ihr Gebiet an Pächter vergeben.
Ein Mitglied der Genossenschaft konnte sein Grundstück bislang von der Jagd nicht ausnehmen. Auch nicht aus ethischen Gründen. Das ist jetzt vorbei. Ein Anwalt aus Baden-Württemberg klagte vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) und bekam Recht. Die Richter erklärten die Zwangsmitgliedschaft in einer Jagdgenossenschaft für menschenrechtswidrig. Die Gesetzespflicht, entgegen ethischer Bedenken die Jagd auf dem eigenen Land zu dulden, sei eine unverhältnismäßige Belastung, so der EGMR.
Deutschland musste als Konsequenz das Bundesjagdgesetz anpassen. Seit Dezember 2013 ist der neue Paragraf 6a in Kraft. Dass Jagdreviere von größerem Umfang wegfallen werden, befürchten Jäger nicht. „Die ethische Grundstücksbefriedung dürfte ein zu vernachlässigendes Phänomen bleiben“, sagt LJV-Justiziar Thies. Dominik Storr sieht das anders. Der Anwalt aus Rheinland-Pfalz hat bundesweit rund 60 Anträge begleitet und sagt: „Es wurden jetzt schon mehr Anträge gestellt, als die Politik erwartet hatte.“