NRW fiebert und schnieft — noch keine Linderung in Sicht

Diejenigen, die es bislang nicht erwischt hat, können nur hoffen. Denn die Grippe- und Erkältungswelle lässt nicht locker.

Düsseldorf. Nordrhein-Westfalen schnieft, hustet und keucht. Die Grippe- und Erkältungswelle in Deutschland hält unvermindert an. Arztpraxen sind voll, Schulklassen ausgedünnt, Arbeitsplätze bleiben leer. Teile Nordrhein-Westfalens, vor allem in der südlichen Hälfte, sind nach Angaben des Robert-Koch-Instituts besonders stark betroffen.

Ein Grund für die vielen Erkrankungen: In diesem Jahr haben sich deutlich weniger Menschen impfen lassen. In zwei Grippeimpfstoffe des Schweizer Konzerns Novartis waren Ausflockungen gefunden worden. „Wenn berichtet wird, dass ein Impfstoff schlecht war, dann heißt es nur: Die Impfung ist schlecht“, meint der Dortmunder Mediziner Prosper Rodewyck.

Schlagartig hohes Fieber und das Gefühl, richtig krank zu sein, da liege der Grippe-Verdacht nah. Die Infektionen seien viel hartnäckiger als sonst. Patienten brauchten zehn bis 14 Tage, um sich zu erholen, etwa dreimal so lang wie sonst. „Die Leute sind deutlich kränker“, bestätigt auch der Düsseldorfer Allgemeinmediziner André Schumacher. Er schreibe die Patienten von vorneherein länger krank, „weil die Erfahrung zeigt, dass es mehr Zeit braucht, um gesund zu werden“.

Bei manchen Gelegenheiten sind die Lücken auch öffentlich sichtbar. FDP-Landeschef Christian Lindner erwischte es zum politischen Aschermittwoch. In einem Kölner Gymnasium blieb ein Lehrer auf den Halbjahreszeugnissen sitzen. Knapp die Hälfte seiner Schüler musste das Bett hüten. In Aachen wurden vorübergehend Buslinien eingestellt, weil die Personaldecke bei den Busfahrern zu dünn war.

In der Klasse einer Essener Grundschule stand die Klassenlehrerin vor einer halbleeren Klasse. Neun von 21 Kindern fehlten. „So was habe ich noch nicht erlebt“, sagte die Klassenlehrerin.

Selbst Kinder mit einer gewöhnlich robusten Gesundheit hatte es erwischt. Berufstätige Eltern kommen ins Schleudern, weil sie die kranken Kleinen betreuen müssen. Und am Wochenende schlug die Grippe beim Fußball-Drittligisten Alemannia Aachen zu. Die Partie gegen Rot-Weiß Erfurt fiel am Samstag aus.

„Man sagt, wenn die Grippe ausbricht, fängt das bei den Kindern an“, sagt Kinderarzt Thomas Fischbach in Solingen. Die Krankheitsbilder seien bei den kleinen Patienten ähnlich: Fieber, Husten, Schnupfen — die Kinder fühlen sich schlapp und elend, einfach krank. Manche haben noch Durchfall dazu.

Die meisten Fälle verliefen glimpflich, aber es komme auch immer mal wieder zu Komplikationen wie Mittelohrentzündung und Lungenentzündung, sagt der Sprecher des Bundesverbands Kinder- und Jugendärzte Nordrhein, Thomas Fischbach. Beim jüngsten Notdienst habe er gut doppelt soviel kleine Patienten gehabt wie sonst. Auch er bemerkt, dass deutlich weniger Kinder als üblich gegen Grippe geimpft sind.

Es deutet sich keine Entwarnung an. Wie schwer die Krankheitswelle gemessen an anderen Jahren ist, kann das Robert Koch-Institut noch nicht sagen. „Die Schwere kann man nicht während einer laufenden Welle einordnen“, sagte die Pressesprecherin des Robert Koch Instituts, Susanne Glasmacher. Die letzte schwere Grippewelle habe es im Winter 2008/2009 gegeben.