Oscar Pistorius bleibt trotz Verurteilung auf Kaution frei
Pretoria (dpa) - Sportstar Oscar Pistorius ist eineinhalb Jahre nach den Schüssen auf seine Freundin Reeva Steenkamp wegen fahrlässiger Tötung verurteilt worden.
Er bleibt aber zumindest für weitere vier Wochen gegen Kaution in Freiheit. Richterin Thokozile Masipa verkündete ihre Entscheidung nach einer Urteilsbegründung, die sich über zwei Tage erstreckte.
„Das Gericht hat ihn der fahrlässigen Tötung für schuldig befunden“, erklärte sie wörtlich. Das Strafmaß soll ab dem 13. Oktober verkündet werden. Im schlimmsten Fall erwartet den unterschenkelamputierten Paralympics-Star jetzt eine Strafe von 15 Jahren Gefängnis, auch eine Bewährungsstrafe ist möglich.
Richterin Masipa hatte bereits am Donnerstag eine Verurteilung wegen Mordes an Steenkamp (29) ausgeschlossen. Ihr Urteil, das sie um 10.21 Uhr verkündete, ist eine schwere Niederlage für Chefankläger Gerry Nel: Aus Sicht der Staatsanwaltschaft tötete Pistorius das blonde Fotomodell aus Wut und mit Vorsatz, als er in der Nacht zum Valentinstag 2013 in seinem Haus durch eine geschlossene Toilettentür schoss.
Die Richterin argumentierte, die Anklage habe in dem Prozess Pistorius' Version nicht widerlegen können. Der Sportler hatte schon kurz nach der Tat und während des gesamten Prozesses beteuert, aus Angst vor einem Eindringling und in Panik geschossen zu haben. Erst nach den vier Schüssen habe er festgestellt, dass seine Freundin nicht schlafend im gemeinsamen Bett gelegen habe.
Pistorius nahm den Schuldspruch mit Fassung auf: Der 27-Jährige zeigte kaum eine Regung, stattdessen schien er sich leicht vor Richterin Masipa zu verbeugen. Am Vortag war er im Gericht wiederholt von Weinkrämpfen geschüttelt worden. Während der Mittagspause wurde Pistorius kurzzeitig in eine Zelle im Gericht gebracht, schließlich verließ er das Gebäude, wobei er sich den Weg durch ein dichtes Gedränge bahnen musste.
Die Mutter der erschossenen Reeva Steenkamp, June, tröstete Familienmitglieder. Vater Barry Steenkamp verließ den Gerichtssaal mit hängenden Schultern. Der Onkel von Oscar Pistorius dankte der Richterin dafür, seinen Neffen nicht wegen Mordes verurteilt zu haben: „Das hat eine große Last von unseren Schultern genommen“, sagte Arnold Pistorius.
Vor dem Gericht reagierten viele Menschen mit Enttäuschung und Unverständnis auf das Urteil - viele hatten einen Schuldspruch wegen Mordes erhofft. Pistorius habe die wahre Geschichte verborgen, aber das sei in Ordnung, sagte Bauarbeiter Herbert Mabasa. „Denn er muss den Rest seinen Lebens damit leben.“
Bis die Richterin das Strafmaß verkündet, können Staatsanwaltschaft und Verteidigung Argumente vorlegen - entweder für ein besonders hartes Urteil oder für mildernde Umstände. Masipa widmete sich auch anderen Waffenvergehen: Schuldig sprach die Richterin ihn wegen eines Schuss-Vorfalls in einem Restaurant. Dieser könnte ihm eine zusätzliche Haft- oder Geldstrafe einbringen. In zwei weiteren Fällen wurde Pistorius von den Vorwürfen freigesprochen.
Nach der Verkündung des Strafmaßes könnte Pistorius laut südafrikanischen Rechtsexperten sofort hinter Gitter kommen. Er rechne damit, dass Pistorius zumindest für einige Zeit ins Gefängnis müsse, sagte Strafrechtsprofessor James Grant. Ein mögliches Berufungsverfahren könnte rund ein Jahr dauern.
Pistorius gewann einst mit seinen Hightech-Karbon-Prothesen Goldmedaillen bei Paralympischen Spielen, auch bei den Olympischen Spielen 2012 trat er an. Nach dem Schuldspruch sieht Friedhelm Julius Beucher, Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS), die sportliche Zukunft des Südafrikaners kritisch: „Oscar war ein Ausnahmeathlet. Nur wer wie er in seinem privaten Leben in so einen tragischen Vorgang verwickelt ist, der hat dann eben nach meiner Auffassung keinen Platz mehr in der paralympischen Bewegung“, sagte Beucher.